Netphen/Hamm. 75 000 Euro Schmerzensgeld sollte die Stadt zahlen. Das entschied 2016 das Landgericht. Warum es wohl nicht bei diesem Urteil bleiben wird.
Im Prozess um den folgenschweren Unfall des Dachdeckers, der durch eine Lichtkuppel vom Dach in die Halle gestürzt ist, hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am Dienstag keine Entscheidung gefällt. Das Gericht hat Klärungsbedarf bei der Höhe des Schadens gesehen. Im Rechtsgespräch, das sich der Schilderung des Vorfalls durch den Handwerker und den von der Stadt als Bauleiter eingesetzten Ingenieur anschloss, ließ die Vorsitzende des Senats allerdings durchblicken, dass es beim Urteil des Landgerichts nicht bleiben wird.
Dachdecker nun im Rollstuhl
Das Landgericht hatte die Stadt Netphen und den Ingenieur am 20. Dezember 2016 verurteilt, 75 000 Euro Schmerzensgeld an den Dachdecker zu zahlen, der seit dem Unfall auf Gehhilfen und einen Rollstuhl angewiesen ist und seinen Beruf nicht mehr ausüben kann. Außerdem sprach die Siegener Kammer dem Handwerker Schadenersatz von 7450 Euro sowie einen monatlichen „Haushaltsführungsschaden“ von 405 und einen monatlichen Verdienstausfallschaden von 3400 Euro zu. Grundlage der Berechnung war ein angenommenes 25-prozentiges Mitverschulden des Handwerkers. Er, so das Gericht, hätte sich vergewissern müssen, welche Funktion die Abdeckplane über der Kuppel gehabt habe.
Die Kuppel war beschädigt und zum Witterungsschutz abgedeckt worden. Bereits zwei Wochen vor dem 14. November 2011, als der Unfall passierte, war der Azubi einer anderen Firma in die beschädigte Lichtkuppel eingebrochen, ohne sich zu verletzen. Der damals 46-jährige Dachdecker erlitt dagegen bei dem Sturz in 8,50 Meter Tiefe, bei dem er auf einer Sportmatte landete, lebensgefährliche Verletzungen. Er zog sich mehrere Frakturen zu, die nicht folgenlos ausgeheilt sind.
Senat sieht größere Mithaftung
Die Stadt Netphen musste – auf Geheiß ihrer Versicherung – Berufung gegen das Siegener Urteil einlegen. Die Vorsitzende des 7. Zivilsenats in Hamm deutete die Tendenz des möglichen Urteils am Dienstag an: Höchstens zu 50 Prozent bestehe die Haftung der Stadt, der eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht anzulasten sei – im Umkehrschluss bedeutet dies, dass dem verunglückten Dachdecker sogar ein überwiegendes Mitverschulden zugeschrieben werden könnte.
Vorgeladen war auch der ehemalige Kompagnon des Handwerkers, der die Stadt ebenfalls verklagt hatte. Nach dem Unfall wurde die in Derschen/Kreis Altenkirchen ansässige Gesellschaft aufgelöst.
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