Siegen. . Immer weniger Allgemeinmediziner wollen sich mit einer eigenen Praxis niederlassen. Das St. Marien-Krankenhaus springt in die Bresche.

Die St.-Marien-Krankenhaus GmbH übernimmt zum 1. Juli drei hausärztliche Kassensitze und gründet das erste allgemeinmedizinische Versorgungszentrum der Region. Grund ist der zunehmende Ärztemangel: Für eine hausärztliche Gemeinschaftspraxis in Eiserfeld fand sich kein Nachfolger, die Inhaber gehen in den Ruhestand. Das Marien-Krankenhaus ist bereits, wie die anderen drei Siegener Kliniken, Träger mehrerer Medizinischer Versorgungszentren (MVZ) – hier allerdings bislang ausschließlich von Facharztpraxen. Das Modell „Hausarzt-MVZ“ könnte dazu beitragen, dem Ärztemangel (wir berichteten) entgegenzuwirken.

Was sind MVZ? Im Grunde Gemeinschaftspraxen. Dort schließen sich mehrere selbstständige Ärzte zusammen, teilen sich beispielsweise Miete, Verwaltungskosten und Sprechstundenhilfen. Bei einem MVZ hingegen ist der Träger häufig ein Krankenhaus oder eine Tochtergesellschaft in verschiedenen Rechtsformen, die Ärzte sind in der Regel Angestellte – wie im Krankenhaus. Seit 2012 kann ein MVZ von freiberuflichen Ärzten, Krankenhäusern, aber auch von Kommunen betrieben werden, sagt Michael Wörster, Bereichsleiter Ambulante Versorgung am Marien-Krankenhaus.

Die Medizinischen Versorgungszentren der anderen Kliniken

  • Das Kreisklinikum

Unter dem Dach des Medizinzentrums Siegerland Weidenau sind Innere Medizin/Rheumatologie, Neurologie, Orthopädie, Proktologische Ambulanz, Psychiatrische Institutsambulanz, Sportklinik, Neurochirurgie, Physioteam, Lungen- und Bronchialheilkunde und Allergologie versammelt.

Zum Medizinzentrum Oberstadt gehören (Unfall-)Chirurgie, Orthopädie und ein Physioteam.

Weitere Facharztpraxen für Orthopädie und Radiologie sind im Kreisklinikum angesiedelt.

  • Die Diakonie

In Kredenbach gibt es Praxen für Chirurgie, Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Gefäßchirurgie und Neurochirurgie.

Das MVZ Jung-Stilling, zu dem neun Facharztpraxen in Siegen, Freudenberg und Kreuztal gehören, bietet Augenheilkunde, Dermatologie, Geburtshilfe und Pränataldiagnostik, Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Innere Medizin, konservative Neurochirurgie und Radiologie.

  • Die DRK-Kinderklinik

Auf dem Wellersberg werden Anästhesie, spezielle Schmerztherapie, Hals-, Nasen- und Ohren-Heilkunde, Kinderkardiologie, Kinderorthopädie, Orthopädie, und Radiologie (in Kooperation mit dem Kreisklinikum) angeboten.

Eine kinder- und jugendärztliche Praxis als Filiale des MVZ gibt es in Freudenberg.

Seit 2005 wurde am Marien-Krankenhaus damit begonnen, dem ambulanten Anspruch vieler Patienten für verschiedene medizinische Disziplinen gerecht zu werden – die Strahlentherapie, in der Klinik verwurzelt, war früher stationär, ist inzwischen ambulant geworden. Die Facharztpraxen des Krankenhauses orientieren sich an den medizinischen Schwerpunkten der Klinik und unterstehen juristisch der ärztlichen Leitung des Krankenhauses. Derzeit sind zwölf MVZ-Praxen am Marien-Krankenhaus angesiedelt, mehrheitlich im Siegerland. Ab Sommer sind es 13.

Wieso das neue MVZ? Wie für jede Facharztdisziplin gibt es auch für Hausärzte eine Versorgungsquote der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), für den Bezirk Siegen (mit Freudenberg, Wilnsdorf und Netphen) sind das 112 Allgemeinmediziner. „Die Not wird auch hier immer größer“, sagt Wörster. Also springt das Marien-Krankenhaus in Absprache mit der KV und den Eiserfelder Ärzten, die ihre Versorgungssitze abgeben, ein. Der Standort in Eiserfeld bleibt erhalten.

Ziel ist es, zu sondieren, ob eine hausärztliche Versorgung über MVZ ein Weg sein kann, dem Ärztemangel zu begegnen und eine angemessene Versorgung aufrechtzuerhalten. „Das ist ein Pilotprojekt“, sagt Wörster, „Neuland“. Zumindest für die Region – in anderen Gegenden Deutschlands ist das Modell durchaus gängig. Im Raum Erfurt beispielsweise seien mehr als 60 Hausarztsitze in einem MVZ angesiedelt, so Wörster.

Was sind die Vorteile eines MVZ?
Ein Faktor von zunehmender Bedeutung für Nachwuchsmediziner ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Hausärzte müssen als selbstständige Unternehmer viele Verwaltungstätigkeiten übernehmen, es bleibt ein unternehmerisches Risiko – erst Recht, wenn es um die Finanzierung (Fallpauschalen) geht. Viele Ärzte arbeiten viel und zahlen drauf. Das scheuen viele junge Mediziner, suchen eher den Weg in eine Festanstellung an Kliniken.

Ein MVZ verbindet gewissermaßen das Angestelltendasein mit der medizinischen Tätigkeit eines Hausarztes – ohne die nichtmedizinischen Tätigkeiten. „Den Ansatz der Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf möchten wir unterstützen“, sagt Wörster: Die in MVZ angestellten Ärzte sollen möglichst wenig mit Verwaltung zu tun haben, die sozusagen ausgegliedert wird an das MVZ – die medizinische Tätigkeit steht im Mittelpunkt.

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