Netphen. . Eine zarte Tätowierung auf dem Handgelenk bringt die Tochter von „Fahrrad-Paul“ zum Lächeln. Ihr Vater prägte den Radsport im Siegerland

Auf seinem kleinen, schwarzen Fahrrad fährt er über die Unterseite ihres rechten Handgelenks. Die Räder hinterlassen eine herzförmige Spur auf der Haut. Sein Leben widmete Paul Heitze dem Fahrrad, er fuhr jahrelang Rennrad, eröffnete ein Fahrradgeschäft in Netphen. „Jetzt fährt er wieder und wenn auch nur auf meinem Handgelenk“, sagt seine Tochter Bianca Heitze. 2016 musste ihre Familie „Fahrrad-Paul“, wie er in Netphen genannt wurde, beerdigen. Das zarte Tattoo ist für Bianca Heitze Erinnerung an ihren Vater, „einen Siegerländer Dickkopf mit großem Herzen“, wie sie sagt.

Ständig neues Fahrrad

„Ich bin bestimmt 100 000 Kilometer mit ihm gefahren“, erzählt Bianca Heitze. Jeden Sonntag standen ihre Eltern und sie um sechs Uhr in der Früh auf, um Fahrradtouren zu unternehmen. „70 bis 100 Kilometer waren das und dann mit dem Auto zurück“, erinnert sich die Siegerländerin. Ihr Vater habe viel aufgebaut, was den Radsport im Siegerland angehe. „Er hat den Radsportclub Krombach mitgegründet und später sogar sein Hobby zum Beruf gemacht.“ Als das Fahrradgeschäft in Netphen anlief, hatte Bianca Heitze andauernd ein neues Rad. „Weil Papa dann immer wieder welche verkaufen wollte“, so die heute 42-Jährige. „Er war mit einer der ersten, die im Siegerland Mountainbikes verkauften.“

Die Leidenschaft für das Zweirad lebte Paul Heitze voll und ganz aus. „Er war zwar ein korpulenter Mann, aber er hat so viel Sport gemacht“, sagt seine Tochter. Der Bodensee-Radweg mit seinen rund 260 Kilometern war nur eine der unzähligen Touren, die „Fahrrad-Paul“ bestritt.

Bianca Heitze erinnert ihr Tattoo an ihren Vater und bringt sie zum Lächeln. 
Bianca Heitze erinnert ihr Tattoo an ihren Vater und bringt sie zum Lächeln.  © Bianca Heitze

Heitzes wollten kämpfen

2015 dann die Diagnose: Leber- und Speiseröhrenkrebs. „Das kam aus heiterem Himmel“, sagt Bianca Heitze. Doch die Familie ließ sich nicht entmutigen. „Wir sehen vieles positiv und haben uns gesagt: ‚Wir kämpfen jetzt’.“ Das Schicksal will es anders. Keine Chemo schlägt an. „In einem Jahr hat man gesehen, wie ein Mensch zerfällt“, sagt Heitze. Sie feierten noch das 20-jährige Bestehen seines Geschäfts, im Juni 2016 schließt es. Wenige Tage vor seinem 66. Geburtstag verkündet eine Ärztin Paul Heitze den Befund, der jede Hoffnung zunichtemacht: „Sie sind austherapiert“. Für seine Familie bricht eine Welt zusammen. „Das will man einfach nicht wahrhaben“, erinnert sich Bianca Heitze.

Gegen den Delfin  auf der Schulter

Ihr erstes Tattoo ließ sich Bianca Heitze 1993 mit 18 Jahren stechen. „Damals war ich Aktivistin bei Greenpeace und wollte die Welt retten“, so die gebürtige Netphenerin. Ein Delphin auf ihrer Schulter sollte das symbolisieren.

Paul Heitze sei total gegen die Tätowierung gewesen. Erst in einem gemeinsamen Strandurlaub habe er seiner Frau verraten, dass er den Delfin doch ganz süß finde. „Mir selbst hätte er das nie gestanden“, sagt Bianca Heitze.

Nicht mehr aufgewacht

Am 7. Oktober 2016 feiert die Familie Paul Heitzes Geburtstag. „Ich habe ihm einen Lego-Trecker geschenkt. Für Lego hatte er so eine Leidenschaft entwickelt während der Krankheit. Den konnte er nicht mehr zusammenbauen“, erzählt Bianca Heitze. Am 6. November besuchen ihr Mann und sie die Eltern im Siegerland noch einmal. „Da hat mein Vater mich fest gedrückt und nicht mehr losgelassen. Zum ersten Mal hat er geweint und man sah ihm die Panik vor dem Tod an“, sagt die Siegerländerin. Zwei Tage später geht sie wieder arbeiten. „Als ich abends noch mal mit ihm telefonieren wollte, schlief er schon. Er ist dann unter Schmerzen eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht.“

Paul Heitze war eine prägende Person des Radsports im Siegerland. 
Paul Heitze war eine prägende Person des Radsports im Siegerland.  © Bianca Heitze

Im September 2017 lässt sich Bianca Heitze im Studio Swoon Tattoo in Siegen den kleinen Rennradfahrer auf ihrem rechten Handgelenk stechen. „Früher hätte ich es nicht machen können, da hätte es noch zu weh getan“, sagt sie. Das Tattoo ist Abschluss und Symbol, nach vorne zu sehen. „Mein Vater hätte mir schon längst gesagt, dass es jetzt auch mal gut ist und ich wieder glücklich werden soll.“

Wie er das Tattoo finden würde? „Er hätte bestimmt gemeint, dass man mit dem Rad rein technisch gar nicht fahren kann. Und dass der Fahrradfahrer keinen Helm aufhat“, sagt Bianca Heitze. Sie selbst bringe das zarte, aber kostbare Tattoo jeden Tag aufs Neue zum Lächeln.

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