Kreuztal. . Für die Kreuztalerin Sonja Wortmann sind die Kunstwerke auf ihrer Haut kostbar: Sie stecken voller Erinnerungen und bringen Farbe in den Alltag.
Im Nachhinein ist Sonja Wortmann froh, dass sie bei so manchem Tattootrend aus den 90er Jahren nicht mitgemacht hat. Obwohl sie schon immer gerne Tattoos gehabt hätte. „Ich habe mich nur nie getraut“, sagt die 38-Jährige. Erst vor zwei Jahren war es soweit. Die Kreuztalerin ließ sich auf ihrem rechten Arm ein verschnörkeltes „L“ tätowieren, mehr ein verschlungenes Band, als ein klar erkennbarer Buchstabe. „Für meine Tochter Lorena“, sagt die alleinerziehende Mutter. „Lorena und ich haben eine sehr enge Verbindung und ich habe mir gedacht: ‚Wenn ich ein Kind zur Welt gebracht habe, dann schaffe ich auch das mit dem Tattoo’.“
Ein Rose für den Vater
Seitdem sind noch weitere Tätowierungen hinzugekommen. Zwar nicht auf dem rechten Arm, „der steht für sich, für meine Tochter“, sagt Sonja Wortmann, dafür aber auf dem linken Oberarm und dem rechten Unterschenkel. „Ich bin ein sehr emotionaler Mensch und für mich sind Tattoos einfach eine Möglichkeit geworden, Gefühle auszudrücken“, so die 38-Jährige.
Wenn die taffe Frau mit den schwarzen Glitzer-Stiefeletten und der rockigen Lederhose beginnt, von dem Bild auf ihrem rechten Unterschenkel zu sprechen, wird ihre Stimme rau und sanft. „Es ist eine Rose, angelehnt an die Todesanzeige von meinem Papa“, sagt sie. Mit 66 Jahren starb er an der neurodegenerativen Erkrankung ALS. „Ich wollte ein Symbol für ihn setzen. Aber nicht so etwas Identifizierbares, wie seine Initialen oder das Todesdatum. Sondern etwas Eigenes, wobei man nicht direkt erkennt, wofür es steht“, erklärt die 38-Jährige. Die Rose ist schlicht geworden, „wie man sie von einer Todesanzeige in der Zeitung kennt, mit ein paar Ecken und Kanten“.
„Ein tausendfach produziertes Nadeltrauma“
Sonja Wortmann hat ihr Wunsch-Tattoostudio sorgfältig ausgewählt und sich mit dem ersten Kunstwerk auf der Haut Zeit gelassen. Aber auch spontane Tätowierungen auf Messen oder im Ausland sind beliebt. Dr. med. Katja David, Leiterin des Siegener Instituts für ästhetische Hautbehandlungen „Dermamelius“, weiß, warum jeder Stich wohl überlegt sein sollte.
Welche gesundheitlichen Risiken birgt das Stechen eines Tattoos?
Besonders im Ausland, wo häufig preisgünstige Angebote locken, besteht das Gesundheitsrisiko der Übertragung einer Infektion durch verunreinigte Tattoonadeln. Aber auch in Deutschland, zum Beispiel bei Großveranstaltungen, ist Vorsicht geboten. Die Auswahl des Studios sollte also mit großer Sorgfalt erfolgen.
Langfristig kann es in der Haut zu chronischen allergischen Reaktionen kommen, aber auch Fremdkörperreaktionen auf die eingebrachte Farbe lassen sich feststellen. Untersuchungen haben gezeigt, dass in jeder dritten Tattoofarbe krebserregende Stoffe wie PAK, Polycyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, (Nitrosamine, aromatische Amine, Formaldehyd und Formaldehydabspalter), halogenorganische Farbstoffe, Nickel und Konservierungsmittel wie Benzoisothiazolinon enthalten sind. Tatsache ist, dass aufgrund der Fremdkörperreaktion auf die eingebrachten Farbpartikel, diese über die Lymphe in die Lymphknoten und von dort in den ganzen Körper wandern. Keiner vermag derzeit zu sagen wie dieser Prozess das allgemeine Krebsrisiko beeinflussen kann.
Kann eine Tätowierung nachteilige Auswirkungen auf die Haut haben?
Das Stechen eines Tattoos bedeutet für die Haut ein tausendfach produziertes Nadeltrauma. Neben den üblichen Reaktionen, wie Schwellungen, Entzündungen, Rötungen und Juckreiz, können auch Wundheilungsstörungen und Infektionen auftreten, die narbig abheilen können.
Nicht unterschätzen sollte man das Risiko einer allergischen Reaktion auf die eingebrachten Farbpigmente. Diese können zu akuten starken Entzündungsreaktionen führen oder auch chronische Beschwerden, wie permanenten Juckreiz, Knötchenbildung, Schwellung oder erhöhte Lichtempfindlichkeit hervorrufen. Auch andere unspezifische Gesundheitsstörungen, wie zum Beispiel eine erhöhte Infektanfälligkeit, können auftreten.
Was sollte in der ersten Zeit nach einer Tätowierung beachtet werden?
Der Wundheilungsprozess dauert in der Regel zwei bis vier Wochen. Sollte es während dieser Zeit oder danach im tätowierten Areal zu Ausschlägen oder Erhebungen kommen, kann eine allergische Reaktion vorliegen. Des Weiteren kann es aber immer auch zu den bereits erwähnten unerwünschten Hautreaktionen kommen. Sinnvoller Weise sollte dann ein Dermatologe oder Allergologe aufgesucht werden, um schwerwiegendere Folgen zu vermeiden.
Eine besondere Beziehung
Ein Allheilmittel gegen Verlust und Trauer, die der Tod mit sich bringe, seien die Tattoos natürlich nicht. „Aber sie helfen mir, diese Gefühle anders zu verarbeiten“, sagt Sonja Wortmann. „Durch den Schmerz, den ich beim Tätowieren empfunden habe, konnte ich einen Teil der Gefühle ablassen. Den Schmerz vom Herz woanders hinleiten.“ Vielleicht könne man das mit der Wirkung von Musik vergleichen, so die 38-Jährige. „Es ist auch total schön zu sehen, wie aus dem Schmerz etwas Positives und Schönes entsteht.“ Die Sitzungen bei ihrer Tätowiererin hätten eine therapeutische Wirkung. „Wir sind so offen und emotionsgeladen ins Gespräch gekommen, das hätte bei mir in so kurzer Zeit ein Therapeut nicht besser hingekriegt“, betont Sonja Wortmann. Gemeinsam hätten sie vor dem Spiegel gestanden, ein fertiges Tattoo betrachtet und angefangen zu weinen.
Für Sonja Wortmann sind die Kunstwerke auf ihrer Haut in vielerlei Hinsicht kostbar. Wegen der Emotionen und der Erinnerungen, die in ihnen stecken. Aber auch wegen ihrer Wirkung auf ihr Selbstwertgefühl. „Ich schaue mir die Tattoos gerne an, creme die Stellen bewusster ein, als die restliche Haut. Das ist eine andere Art der Pflege, auch für mich selbst“, sagt sie. Wann immer sie die Bilder anschaue, würden sie Farbe in den Alltag bringen.
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