Siegen. . Ann-Katrin Drews ist Volontärin für Bildung am Museum für Gegenwartskunst. Sie entwickelt Ideen, um neue Zielgruppen zu erschließen.

Die herkömmliche Museumsführung wird selbst ein Fall fürs Museum. Ann-Katrin Drews, Volontärin für Bildung am Museum für Gegenwartskunst, erprobt innerhalb des bundesweiten Programms „lab.Bode“ neue Wege der Kunstvermittlung und entwickelt sie weiter. Was deutlich wird: Für diverse Vorurteile wird die Luft dünn.

Vorurteil Nummer 1:

Museen sind ruhig, öde und anstrengend.
„Ein Museum ist kein Archiv und kein Aufbewahrungskasten. Es soll ein sozialer Ort sein“, sagt Drews. Wer allein durch die Räume gehen und sich in Ruhe umschauen wolle, dürfe dies natürlich tun. Aber zunehmend richte sich das Augenmerk auf Austausch und Dialog, auf neue Möglichkeiten der Museumserfahrung. „Die Leute lernen nicht nur etwas über Kunst und die Künstler – sondern auch, dass ein Besuch im Museum eine Freizeitgestaltung sein kann und das dort immer wieder etwas anderes passiert.“

Vorurteil Nummer 2:

Moderne Kunst ist verkopft und schwer zugänglich – und ohne Vorwissen läuft nichts.
Für sie selbst, die sich professionell mit Kunst befasst, „sprechen die Werke automatisch“, sagt Drews. „Für den Besucher muss das aber nicht immer so sein. Unser Ziel ist es, den Einzelnen dahin zu bringen, sich mit dem Werk auseinanderzusetzen.“ Das, betont die 32-Jährige, soll in unverkrampfter, freier Atmosphäre geschehen. „Ich versuche, sehr offene Fragen zu stellen – auf die die Menschen dann sehr offen reagieren.“ Ein Standardrezept gebe es nicht, „ich schaue, was die Leute, die mir in Führungen begegnen, für Bedürfnisse haben und was sie selbst mitbringen“. Über das Gespräch darüber, „was man sehen könnte“, geht es vor einem Werk beispielsweise zur Überlegung, wieso Bildelemente nicht naturgetreu dargestellt sind. Daraus könne sich die Frage nach Farbwirkungen ergeben, „und schon ist man bei einer Bildanalyse. Der Austausch eröffne Betrachtungsweisen – und auch Drews lerne bei dieser Herangehensweise immer wieder hinzu, weil sie mit neuen Blickwinkeln konfrontiert wird.

Vorurteil Nummer 3:

Moderne Museen sind elitär.

Gemeinsame Anstrengungen

Das Programm „lab.Bode“ ist eine gemeinsame „Initiative zur Stärkung der Vermittlungsarbeit in Museen“ der Staatlichen Museen in Berlin und der Kulturstiftung des Bundes (KSB).

Wesentliche Elemente sind ein Vermittlungslabor am Berliner Bode Museum und ein bundesweites Volontärsprogramm. Es geht um die Entwicklung neuer Formate, um vor allem junge Menschen für Kunst und Museen zu begeistern.

Das Museum für Gegenwartskunst Siegen hat sich um die Teilnahme beworben und konnte so im ersten Durchgang ab Juli 2017 eine Volontärstelle für zwei Jahre anbieten – ebenso wie zehn andere Häuser in Deutschland. Weitere zehn Museen steigen ab Sommer 2018 ein.

Die Volontäre arbeiten in den Museen mit und besuchen außerdem mehrere jeweils mehrtägige Workshops – so genannte Module – im Vermittlungslabor am Bode Museum. Außerdem sind Hospitanzen an Berliner Schulen Teil des Volontariats.

Kooperationspartner des Programms sind der Deutsche Museumsbund und die Bundesakademie für Kulturelle Bildung in Wolfenbüttel.

„Wir sind kein elitäres Haus, in dem man vor irgendetwas Angst haben muss. Wir haben Formate für viele Zielgruppen, und wir machen das Angebot, dass wir offen sind“, sagt Drews. Ihr Volontariat begann im Juli 2017, zuvor hat die Dortmunderin in Bochum Kunstgeschichte und Amerikanistik studiert, dann in Berlin ihren Master in Nordamerika-Studien gemacht und sich später gezielt am MGK beworben, da sie das Haus, das Programm und die Sammlung sehr schätze. Bisher begleitet sie die bestehenden Führungen und Angebote; das MGK hat eigene Veranstaltungen für alle Altersgruppen von Kindern über Erwachsene bis zu Senioren. Im Programm „lab.Bode“ geht es nun darum, dauerhaft neue Zielgruppen für Museen zu begeistern (siehe Infobox). Ihr eigenes Projekt wird Drews im Zuge des zweijährigen Volontariats im kommenden Sommer starten, wenn sie das MGK intensiv kennengelernt hat und so einen passgenauen Ansatz verfolgen kann. Bisher sind ihre Erfahrungen mit den Besuchern sehr gut – gerade während der Führungen durch die Niele Toroni-Ausstellung habe sie immer wieder festgestellt, dass die Menschen sehr zugänglich sind und sich auf den Dialog einlassen.

Vorurteil Nummer 4:

Museumsführer kauen Interpretationen vor – und die hat man gefälligst hinzunehmen.
„Es gibt kein richtig oder falsch“, beschreibt Drews den zeitgemäßen Zugang zu Kunstwerken. Im Gespräch liefere sie Fachinformationen, ordne ein Werk ein, erzähle, wie andere Künstler ein Thema, beispielsweise die Darstellung des menschlichen Körpers, angehen. Aber der Ansatz, den Teilnehmern einer Führung stur eine Interpretation als alleinige Wahrheit vorzubeten, sei spätestens Ende der 1990er Jahre gekippt. Kunst sei Teil und Ausdruck gesellschaftlicher Entwicklungen, und die Gesellschaft sei zunehmend offener – für multikulturelle Einflüsse, für erweiterte Konzepte von Familie, für ein verändertes Verständnis von Geschlechterrollen. „Der Status quo kann immer besser hinterfragt werden“, sagt Drews. „Das kann man auch auf das Museum übertragen. Und die zeitgenössische Kunst versucht sowieso, immer mehr Fenster zu öffnen.“

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