Kreuztal. . Kreuztaler Vorzeigeprojekt ist ein europaweites Vorbild. Doch der Dank geht an die Ehrenamtlichen – derzeit sind 25 bis 30 Fahrer aktiv.
Er habe noch viel mehr Fotos, sagt Achim Walder. „Aber die Bürgermeister und Ehrengäste wollten nicht so lange warten mit ihren Grußworten“, fügt der Vorsitzende des Vereins Bürgerbus Kreuztal an und sorgt für Gelächter im Gasthof Merje. Dort haben sich rund 50 Gäste versammelt, um 20 Jahre Bürgerbus zu feiern. Zwei Jahrzehnte, da gibt es viel zu erzählen und noch mehr zu erinnern. Geschichten von den Anfängen und aus dem Alltag.
25 bis 30 Fahrer sind derzeit aktiv, „und wir haben auch eine gute Mischung. Wenn ältere Aktive ausscheiden, kommen jüngere nach“, unterstreicht der stellvertretende Vorsitzende Wolfgang Kirsch. Er kümmert sich um die praktische Seite des Vereins und des Fahrbetriebs, während „Urgestein“ Achim Walder für die Organisation zuständig ist. Wenngleich er auch zwei Jahre selbst gefahren sei, betont der langjährige Vorsitzende, „um selbst zu wissen, wie das so ist“.
10 000 Fahrgäste pro Jahr
Zu den Gratulanten gehören Vereinsvertreter aus Kirchhundem und Wenden, denen die Kreuztaler bei den ersten Gehversuchen geholfen haben. Achim Walder war zwischenzeitlich auch Vorsitzender in Wenden und Bad Laasphe. Die Bad Laaspher haben sich wegen des Schneefalls entschuldigt.
Nach der Gründung des Kreuztaler Vereins hat Achim Walder bundesweit viele weitere Vereine beraten oder mit aus der Taufe gehoben. Interessierte Besucher kamen aus Luxemburg und aus Frankreich. Vorträge führten ihn in die Schweiz oder auf die britische Insel. Im März ist Stralsund das nächste Ziel.
Rund 10 000 Fahrgäste werden pro Jahr gezählt.
Durch Beharrlichkeit ans Ziel
Achim Walder berichtet über die Anfänge 1998, als er zunächst an eine Taxilösung gedacht habe, um die „abgehängten“ Teile Kreuztals zu versorgen, dann aber auf die Idee eines Bürgerbusses kam und mit ein paar Gleichgesinnten nach Kierspe fuhr. Dort sei schon einer im Einsatz gewesen damals, „im Kreis Siegen-Wittgenstein gab es das noch nicht“.
„Ich bin damals völlig ‚überfahren’ worden und eigentlich immer nur hinterher gerannt“, erinnert Elfrun Bernshausen vergnügt an das Tempo, das Walder damals an den Tag gelegt habe. Bei der Vereinsgründung sei ihm bei Gericht ein schriftlicher Antrag nahegelegt worden, so der Vorsitzende. Das dauere doch Wochen, konnte er dem Mann schließlich klarmachen und nach drei Stunden die nötigen Unterschriften bekommen. Bürgermeister Walter Kiß und VWS-Eigentümer Klaus Dieter Wern sind sich später einig, wie genervt der Beamte damals gewesen sein müsse. „Achim Walder kann schon sehr penetrant sein“, betont Kiß in Richtung des Mannes, den er kurz darauf als „den Papst der Bürgerbusse“ bezeichnet wurde. Walder habe auch den damaligen Stadtdirektor sowie Dr. Heinz Schaldach von der VWS, beide große Skeptiker, mit einzigartiger Hartnäckigkeit überzeugt. Letzterer sei immer furchtbar genervt gewesen, sagt Klaus Dieter Wern und besteht darauf, das Unternehmen 2012 eigentlich nur gekauft zu haben, damit Achim Walder endlich einen verständigen Ansprechpartner bekäme.
Aber ohne Engagement dieser Art gehe es nun einmal nicht, sind sich auch die früheren Bürgermeister Helmut Nölling und Rudolf Biermann einig. Nölling setzte damals die Übernahme der Ausfallbürgschaft durch die Stadt durch. „Die haben wir bis heute nicht gebraucht“, sagt Achim Walder stolz.
Dankbarkeit als Dankeschön
Alle nutzen einmütig die Gelegenheit, vor allem den Fahrern zu danken, den früheren und den Aktiven. Ohne diesen Einsatz, immer ehrenamtlich, gehe gar nichts und seien viele Kreuztaler wahrscheinlich heute deutlich weniger mobil, zahlreiche Stadtteile unversorgt.
Der wichtigste Lohn sei die Dankbarkeit der Fahrgäste, sagt Wolfgang Kirsch und kann schöne Beispiele beitragen, wie stark die Gefühle der Menschen manchmal sein können. Zum Beispiel die ältere Dame, die er mit dem leeren Bus an Weihnachten vor die Haustür gefahren habe und die ihn dann herzlich umarmte: „Aber dafür fahren wir ja auch!“
Kritik an den Strukturen
Viermal am Tag in vier Richtungen wird in Kreuztal gefahren, „nur nach Littfeld nicht“, spricht der Vorsitzende ein Thema an, das der Bürgermeister „bewusst vermieden“ hat. Zu großer Umweg bei zu wenig Resonanz begründet Achim Walder noch einmal, warum diese Lösung keine große Liebe im Verein findet. Es gehe nicht an, dass der Rat so etwas vorschreiben wolle: „Dann könnte er ja auch einem Dackelzüchterverein den Befehl geben, Kaninchen zu halten!“ Was wahrscheinlich einfacher umzusetzen sei, als einen Bürgerbus nach Littfeld fahren zu lassen, schüttelt Kiß lachend den Kopf.
Achim Walder betont noch einmal, dass Kreuztal eigentlich viel zu groß für einen Bürgerbus sei. In anderen Regionen würden solche Strecken von kleineren öffentlichen Stadtbussen bedient. Allerdings gebe es dort auch öffentliche Mittel für den ÖPNV, „beim VRR wird täglich eine Million zugeschossen“. Die Wern-Busse hingegen müssten sich ausschließlich selbst finanzieren, das dürfe nicht vergessen werden, bedankt sich der Vorsitzende bei seinem Partner aus Siegen, der umgekehrt seine Unterstützung bekräftigt. Auch die Stadt hilft nachhaltig, etwa mit einer beheizten Garage auf dem Bauhof.
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