Kreuztal. . Impressionistische Klanggemälde wie von Zauberhand: Der Trompeter und der Bassist gastieren mit „Nightfall“ in der Stadthalle Kreuztal.
Zwei Künstler auf einer großen Bühne der Stadthalle erschließen mit ihren Instrumenten den ganzen Kosmos der Musik. Zunächst in getragenem Moll des Flügelhorns, begleitet vom Kontrabass. Die Tonfolgen werden immer schneller und scheinbar kommt eine zweite Stimme hinzu.
Doch hier spielt nur einer: Till Brönner, der innovativste Trompeter der Gegenwart, dessen einzigartige Kunst vom Bassisten Dieter Ilg begleitet wird. Wobei „begleiten“ den Kern kaum trifft. Trompete und Kontrabass treffen sich auf Augenhöhe.
Ihr Spiel ist ein ständiger Austausch von Motiven, von musikalischen Fragen und Antworten. Zwei begnadete Geschichtenerzähler geben sich und ihrem Publikum an einem Montagabend die Ehre.
Gleich beim zweiten musikalischen Kapitel des Abends präsentieren Brönner und Ilg „Nightfall“, jene Komposition, die ihrem aktuellen Programm den Namen gibt. Till Brönner entlockt seinem Instrument Trompeten-Untypisches: Erst Windgeräusche, dann den Flügelschlag aufstiebender Vögel. Sind es die letzten Töne des Tages, bevor die Nacht kommt? Oder die ersten akustischen Signale des erwachenden Tages? Dazu steigt Nebel auf.
Ganz dicht an Jazz-Wurzeln
Die Zuhörer lauschen diesen impressionistischen Klanggemälden andächtig, haben viel Zeit, ihren Gedanken freien Lauf zu lassen. Bis sie von schrillen Tönen der Trompete aus ihren Träumen gerissen werden und Dieter Ilg seinen Bass zur Schlag- Gitarre macht.
Ob bei einem Titel von Leonard Cohen, einem Ausschnitt aus dem Broadway-Musical „Showboat“, einem Pop Song von Britney Spears oder „Eleanor Rigby“ der Beatles: Die Künstler passen allen Stücken ihr unverwechselbares musikalisches Brönner/Ilg-Kleid an.
Der Trompeter mal mit Tönen so weich wie eine überreife Williamsbirne und dann so klar und scharf wie die aktuelle Kaltluft. Seine Läufe sind so aberwitzig verwegen, dass man sich unwillkürlich fragt: Atmet er überhaupt? Und Dieter Ilg scheint mit seinem Instrument zu verschmelzen. Sein Fingerspiel auf den Saiten des Basses gleicht einem virtuosen Stepptanz.
Bei einigen Titel ihres „Nightfall“-Programms können sich Till Brönner und Dieter Ilg ganz dicht ihren traditionellen Jazz-Wurzeln nähern und swingen. Mit Improvisationen, die in einem Jazz-Club langen Szenenapplaus erhalten hätten.
Verbales Rollenspiel
Das sachverständige Kreuztaler Publikum jedoch hält sich dabei wohltuend zurück. Es möchte vermeiden, auch nur eine der musikalischen Kostbarkeiten durch sein Klatschen zu verpassen. Umso mehr genießen die Besucher auch das verbale Rollenspiel von Till Brönner und Dieter Ilg. Wobei Letzterem (fast) kein Wort zu entlocken ist. Er lässt ausschließlich sein Instrument sprechen.
Till Brönner jedoch, der eloquente Berliner und ganz Mann von Welt, hat einiges zu erzählen. Etwa von seinen Erlebnissen in Rio: „Alle Klischees stimmen. Schöne Menschen überall, doch Implantate auch dort, wo keiner sie sich vorstellt.“
Doch am Ende des Programms sagt auch Dieter Ilg, der schweigsame Freiburger, etwas an. Den letzten Titel des Abends: „Ach bleib mit deiner Gnade“ aus dem evangelischen Gesangbuch. Ein ergreifender Choral, festlich, hymnisch von Till Brönner interpretiert und von Dieter Ilg mit dem Bogen begleitet.
Danach geht das Saallicht an und die Zuhörer reiben sich die Augen. Die Kulturmacher Kreuztals haben ihrem Publikum diesen denkwürdigen Abend voller Zauber mit zwei Superstars der Jazz-Szene geboten.
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