Kreuztal. . Nach den Bürgersprechstunden läuft die Uhr für Betroffene des Leitungsbaus. Bürger wollen klagen

Es ist der Stromleitungsmast mit der Nummer 373. Auf den wird Christian Gerhard schauen, der stellvertretende Vorsitzende des Schloss-Junkernhees-Vereins, wenn er in die Dönische Wiese herunterblickt. Sascha Reller, der in dem denkmalgeschützten Wohnhaus neben dem Schloss wohnt, hat das selbst mit Fotos montiert — von der anderen Seite unten im Tal: für ihn der Beweis, dass das hier geplante Umspannwerk sehr wohl ins Blickfeld der fast 500 Jahre alten ehemaligen Wasserburg kommt. „Das Foto ist nicht von uns“, stellt Claas Hammes klar. Er vertritt den Netzbetreiber Amprion bei dieser Bürgersprechstunde in der Weißen Villa.

Die Sprechstunde

... oder: Was jetzt noch geht. Drei Wochen sind es jetzt noch. Wer bis 8. März nicht seine Bedenken oder Forderungen bei der Bezirksregierung zu Protokoll gibt, ist raus aus dem Verfahren, in dem Baurecht für eine neue Strom-Höchstspannungsleitung geschaffen wird. Das Bild im großen Saal der Weißen Villa ist vertraut: Die Pläne an den Stellwänden, die Gesprächsgruppen an den Tischen, fast wie beim „Bürgerinfomarkt“ vor zwei Jahren. Der Unterschied: Jetzt sind die Unterlagen für die Planfeststellung — so etwas wie ein riesengroßer Bauantrag – fertig, aufgereiht in 13 Aktenordnern.

Zu diskutieren gibt es an dieser Stelle nichts mehr. „Wir möchten Bürgern helfen, sich in den Unterlagen zu orientieren“, erklärt Projektsprecher Hammes. Was die Bürgerinitiative dazu beitragen will? „Wir achten darauf, dass den Bürgern kein Blödsinn erzählt wird“, kündigt Sascha Reller an. Die Amprion-Leute kommentieren das nicht. Man kennt sich. Man stehe „in regelmäßigem Austausch“ – so ist das auch in den Unterlagen dokumentiert.

Auch Vertreter der Ratsfraktionen schauen bei der Sprechstunde wieder vorbei: Dieter Gebauer von den Grünen, Felix Viehmann von der FDP und Harald Görnig von der CDU sind da — der Kreuztaler Rat wird in der nächsten Woche über die Stellungnahme der Stadt sprechen, und die fällt, ebenso wie die der Stadt Siegen, einigermaßen kritisch aus, vor allem wegen des Umspannwerks bei Junkernhees.

Das Projekt

... oder: Was gebaut wird. Deutschland braucht Trassen für den (Wind-)Strom aus dem Norden, der den Süden mit seinen demnächst stillgelegten Atomkraftwerken versorgt. Über 126 Kilometer von Kruckel bei Dortmund nach Dauersberg hinter Betzdorf führt die Leitung, die neu gebaut wird. Auf vorhandenen Trassen, aber mit höherer Spannung, 380 statt bisher 220 Kilovolt. Die kommt mit weniger Masten aus, die aber höher sind — was breitere technische Schutzstreifen nach sich zieht.

Geplant wird in fünf Abschnitten: D und E auf rheinland-pfälzischem Gebiet sind am weitesten, das Bundesverwaltungsgericht hat die Klagen zurückgewiesen, ab 2019 werden die ersten Masten gesetzt. A 1 von Kruckel bei Dortmund bis Garenfeld bei Hagen ist seit 2015 im Planfeststellungsverfahren: „Wir warten auf den Planfeststellungsbeschluss“, sagt Claas Hammes. Für die Abschnitte A 2 (Garenfeld/Hagen nach Ochsenkopf/Iserlohn) und B (Ochsenkopf/Iserlohn nach Attendorn) will Amprion in diesem Jahr die Planfeststellung beantragen. Und hier nun also C: 37 Kilometer von Attendorn nach Olpe, von der Krombacher Höhe ein Stück an der HTS entlang, an Eichen und Fellinghausen vorbei ins Heestal, zwischen Meiswinkel und Langenholdinghausen, zwischen Alchen und Seelbach, zwischen Oberschelden und Oberfischbach herunter an die Landesgrenze. 80 Millionen Euro Baukosten werden in den Unterlagen angegeben. 114 Masten werden neu gebaut, davon 52 in Siegen-Wittgenstein: je 22 in Kreuztal und Siegen, acht in Freudenberg, die meistem zwischen 60 und 70, zwei aber auch bis zu 95 Meter hoch. Im Gegenzug werden aber auch niedrigere Masten der alten Leitung abgebaut: 59 in Kreuztal, 66 in Siegen und 23 in Freudenberg.

Die nächsten Schritte

..oder: Wann sie sich wiedersehen. Man sieht sich wieder, etwa in einem Jahr. So lange dauert es erfahrungsgemäß, bis alle Argumente für einen Erörterungstermin aufbereitet sind, zu dem die Bezirksregierung einlädt. Wenn der Planfeststellungsbeschluss erlassen ist, können Betroffene klagen.Um die zehn, kündigt Sascha Reller an, werden das auch tun. Einen Anwalt haben sie bereits. „Der hat schon zwei Verfahren gegen Amprion gewonnen.“

Umspannwerk Junkernhees im Mittelpunkt der Debatte

Die Stadt Kreuztal wünscht weiterhin eine andere Trasse im Heestal, deutlich östlich von Junkernhees und Meiswinkel. Sie fordert Erdkabel statt Freileitungen. Und: Sie fordert, die Erweiterung der Umspannanlage Altenkleusheim „detailliert“ zu prüfen, um auf einen Neubau in Junkernhees verzichten zu können.

Grünen-Fraktionschef Dieter Gebauer geht den Projektsprecher direkt an: „Sie haben damals Fakten geschaffen.“ „Das ist nicht außergewöhnlich, dass wir während der Planung Grundstücke kaufen“, erwidert Claas Hammes, „es geht ja auch darum, Ausgleichsflächen zu haben.“ Oder eben einen Bauplatz für das gasisolierte Gebäude mit der Schaltanlage, mit einer Fläche von 60 mal 20 Metern und einer Höhe von 15 Metern, dahinter dann die zwei Transformatoren, alles auf einer Gesamtfläche von einem Hektar. Dort werden die 380 Kilovolt auf die 110 Kilovolt fürs Ortsnetz umgespannt — und dann eben nicht mehr in der Setzer Wiese bei Geisweid, wo jetzt die Umspannung von 220 auf 110 Volt erfolgt. Das erspart den Höchstspannungsausbau auf dem sechs Kilometer langen Abzweig durchs Ferndorftal bis Geisweid.

„Wer die Unterlagen gelesen hat, weiß, dass Junkernhees nicht der geeignete Standort ist“, sagt Sascha Reller. Amprion ist anderer Meinung, nachdem fünf andere Varianten untersucht wurden:

der Ausbau der Setzer Wiese,

ein Grundstück südlich von Fellinghausen,

die Kleine Höhe und das Köpfchen an der Grenze zum Siegener Stadtteil Buchen,

die Wiese zwischen Mühlberg und Kohlenberg,

den Ausbau in Altenkleusheim.

Zu viel Inanspruchnahme von Wald, zu schlecht erreichbar, zu teuer: Das sind Argumente, an denen die Alternativen scheitern. In Junkernhees, so der Vorwurf der Kritiker, haben die Gutachter nicht so genau hingeschaut: Christian Gerhard hat die Karte von 1790 dabei: „Eine Kulturlandschaft“, sagt der Vertreter des Schloss-Vereins, „die sich seit Jahrhunderten nicht verändert hat.“ Außer halt, dass die „Dänische“ irgendwann auf einmal „Dönische Wiese“ hieß. Der Grünspecht? Der Graureiher? „Der ist jeden Tag da“, berichtet Arno Czimczik, der dort gern spazieren geht. Als Sascha Reller elektromagnetische Strahlung als Risiko anspricht, schaltet sich Amprion-Mann Hammes ein: „Von unseren Leitungen geht keine Gesundheitsgefahr aus, wir unterschreiten die Grenzwerte deutlich.“

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