Siegen. . Siegener Verwaltung arbeitet an einem Konzept, um mit der hohen Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum in zentralen Lagen besser umgehen zu können.
Es hakt an allen Ecken und Kanten: Seit 2014 haben sich die Rahmenbedingungen auf dem Wohnungsmarkt deutlich verändert: Siegen führte die Zweitwohnsitzsteuer ein, die Zahl der Studenten wuchs, es kamen Flüchtlinge in die Stadt. Siegen wurde urbaner und reiht sich ein in die Großstädte mit klassischem Oberzentren-Problem: Es gibt (in zentralen Lagen) nicht genug kleine, bezahlbare Wohnungen, die Mieten steigen.
Die Verwaltung will mit einem Bauland- und Wohnungsmarktkonzept gegensteuern – ist aber bis zu einem gewissen Grad auch machtlos, weil die Stadt nicht selbst über eine relevante Zahl von Grundstücken verfügt.
Die Ziele
Gemischte Wohnquartiere: Mieten dürfen nicht zu hoch sein, weil sich sonst nur Reiche eine Wohnung leisten können. Aber derzeit steigen die Mieten – Investoren können mit hochpreisigen, zentralen Wohnungen schnell viel Geld verdienen.
Bei der Servicestelle Bauberatung würden aber auch Investoren anfragen, die für die Klientel auf dem besonders angespannten Marktsegment – kleinere, bezahlbare Wohnungen – bauen wollen, sagt Thomas Daschke, im Rathaus zuständig für Stadt- und Wohnraumentwicklung.
Pläne den tatsächlichen Gegebenheiten anpassen
Auch auf dem gewerblichen Grundstücksmarkt gebe es riesigen Druck, sagt Stadtbaurat Schumann, ebenso bei Baugrundstücken in guten Lagen.
Das Konzept soll dazu dienen, Flächennutzungspläne entsprechend den tatsächlichen heutigen — und prognostizierten – Gegebenheiten zu ändern.
Der Bürbacher Giersberg galt vor einigen Jahren noch als ländliches Gebiet – und ist heute eine stark nachgefragte, zentrumsnahe Wohngegend.
Die Stadt selbst, sagt Daschke, besitze nicht ausreichend Grundstücke, um sie verbilligt, aber dafür zweckgebunden für sozialen Wohnungsbau abgeben zu können. 2017 waren es nur drei Grundstücke, in Weidenau etwa entstehen 30 geförderte Sozialwohnungen.
„Wenn wir ein paar tausend Einheiten besitzen würden, könnten wir besser eingreifen und regulieren“, sagt Stadtbaurat Henrik Schumann. Den Behörden bleibt „nur“, Projekte zuzulassen oder abzulehnen.
Baulücken schließen: 2016 startete das Baulückenkataster, unbebaute Grundstücke wurden analysiert, hunderte Eigentümer angeschrieben. Rund 70 Grundstücke zusätzlich konnten so akquiriert und angeboten werden, 22 zusätzliche städtische Grundstücke wurden verkauft.
„Wir wollen die Lücken schließen und dafür werben, günstige Wohnungen zu bauen, bevor aufwändig Baugebiete entwickelt werden“, sagt Daschke. Im Städtebau spricht man von Nahverdichtung: Weniger neue Ressourcen außerhalb anzapfen, sondern zentrale, vorhandene nutzen.
Auch wenn in Siegen nicht im großen Stil die benötigten Wohnungen entstehen – immer, wenn Wohnraum dazu komme, werde Druck vom Kessel genommen, sagt Schumann.
Qualität: Es gehe nicht nur darum, Wohnraum zu schaffen, sondern auch attraktiv zu halten. Das Konzept soll ein Monitoring durchlaufen, ein Wohnungsmarktbarometer erstellt werden, in das die Akteure der Siegener Wohnungswirtschaft eingebunden werden, um einschätzen zu können, wie das Investitionsklima oder die Bereitschaft zum Neubauen aussieht. Erste Ergebnisse sollen Ende Februar vorliegen.
Die Situation
Größter Nachteil Siegens ist die Topografie: Die Menschen wollen möglichst zentral wohnen, keine weiten Wege in Kauf nehmen. Und Bauherren wollen außerhalb nicht investieren, weil da die Baukosten steigen. Ohnehin, so Schumann, sei der Wohnungsmarkt sehr heterogen, die Mietpreisentwicklung in Gosenbach anders als in Weidenau.
Die Kapitalmarktlage ist günstig für Bauherren: Immobilien steigen nach wie vor im Wert. Und trotz attraktiver Förderungsmöglichkeiten sei es für viele noch attraktiver, gewinnmaximiert für eine wohlhabende Klientel zu bauen, sagt Thomas Daschke.
Die Flächennutzungspläne basieren auf veralteten Zahlen. Die Bezirksregierung Arnsberg rechnet den Bedarf aus, den Kommunen an Wohnraumreserven haben dürfen. 2014 zum Beispiel hatte Siegen noch 99 000 Einwohner, Prognosen wiesen Richtung 96 000. „Heute gehen wir wieder in Richtung 105 000“, sagt Schumann. „Der Zensus von 2011 hängt uns immer noch nach“, so der Stadtbaurat.
Vorteil: Ehemals gemeinnützige Wohnungsgenossenschaften gibt es nach wie vor viele in Stadt und Region – und die wirken bei der allgemeinen Mietpreisentwicklung als Dämpfer. „Sie kümmern sich um ihre Bestände und erhöhen auch die Mieten nicht drastisch“, sagt Thomas Daschke.
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