Siegen. . Projekt „Medizin neu denken“ als Real-Labor und bundesweites Vorreiter-Modell Patientenversorgung langfristig sichern. Uni-Klink Siegen kommt.

Das Projekt „Medizin neu denken“ der Uni Siegen soll Ärzteausbildung und Patientenversorgung in der Region und ganz Deutschland grundlegend verändern. Zusammen mit den vier Siegener Krankenhäusern und den Unis Bonn und Rotterdam setzt das Projekt zentrale Punkte des Masterplans Medizin 2020 der Bundesregierung um. Damit nimmt die Hochschule eine Vorreiterrolle in der Bundesrepublik ein, so Rektor Prof. Holger Burckhart bei der Hochschulkonferenz am Mittwoch, 17. Januar.

Teil der Gesamtstrategie

Ein Medizinstudium an der Uni Siegen zu etablieren ist Teil der langfristigen Strategie der Hochschule zur Standortsicherung. Man habe sich gegen eine Spezialisierung und für eine Voll-Uni entschieden, um auch künftig für viele Studierende attraktiv zu sein, so Rektor Burckhart – je mehr Studenten, desto mehr Geld.

In diesem Zusammenhang soll auch ein vollwertiges Jura-Studium in Siegen kommen. Bislang wird hier das Fach Wirtschaftsrecht angeboten.

Die Bausteine

Allgemeinmedizin für ländliche Regionen: Es gibt auf dem Land zu wenig Ärzte und insgesamt zu wenig Allgemeinmediziner. Das Siegener Modell bietet eine Lösung für beide Probleme: Die Medizinerausbildung in Siegen soll neben der Ausrichtung auf digitale Hilfsmittel praxisnäher gestaltet sein, für die Erfordernisse im ländlichen Raum. Der klinische Teil des Studiums wird etwa auch in Landarztpraxen abgeleistet.

Parallel dazu dient der ländliche Raum als Reallabor, an und in dem – auch für die Lehre – geforscht wird, denn es gibt keine Vorlage für diese Art der Patientenversorgung. Eine Rolle spielt auch eine mögliche Landarztquote: Bis zu zehn Prozent der Plätze könnten jenseits des Numerus Clausus vorab an Bewerber vergeben werden, die Landärzte werden wollen. Die Approbationsordnung soll noch 2018 entsprechend geändert werden, so Dr. Thomas Grünewald, der maßgeblich am Masterplan Medizin mitgewirkt hat.

Mobilität: Mobile Ambulanzen, eine je Landkreis, bringen regelmäßig rotierend Fachärzte zu den Menschen, damit nach wie vor Arzt-Patienten-Kontakt besteht.

Digitalisierung: Informatik, Robotik, Medizintechnik – medizinaffine Fächer, mit denen sich die Hochschule in Sachen Forschung bundesweit sehen lassen kann, gibt es in Siegen bereits. Sie werden künftig enger mit der Medizin verzahnt, um maßgeschneiderte Lösungen für genau die Land-Probleme anbieten zu können. Für die Zukunft kann etwa ein Arzt diagnostische Daten der Patienten im gesamten Kreis von zentraler Stelle aus einsehen und auswerten. „Mediziner leben von Technik“, so Prof. Veit Braun, Prodekan für Lehre der Lebenswissenschaftlichen Fakultät (LWF). „IT und Medizin müssen gut miteinander können“, so der Chirurg am Diakonie-Klinikum Jung-Stilling.

Die Studiengänge

Vier Masterstudiengänge (Humanmedizin, Digitale Medizin, Gesundheitsmanagement, Biomedizintechnik) absolvieren gemeinsam sechs Bachelorsemester mit weitgehend gleichen Inhalten, danach spezialisieren sie sich. So verfügen später Ärzte, Ingenieure, Manager über Grundkenntnisse benachbarter Berufe, erklärt Jaap Verweij, Gründungsdekan der LWF.

1. Humanmedizin: Basis ist die Kooperation mit der Uni Bonn, die ersten Medizinstudenten von dort beginnen am 1. Oktober ihre klinische Phase in Siegen. Am Ende steht die Approbation.

2. Europäische Master (mit unterschiedlichen Schwerpunkten (s.o.) sind Medizin-nah.

3. Pflege: Bislang nicht universitär, könnte ein Studiengang in Kooperation mit den Pflegeschulen vor Ort entstehen. Und ein neues Berufsbild: Der „Medical Assistant“, den es bislang nicht gibt in Deutschland und der in der „Hierarchie“ und den Kompetenzen zwischen Arzt und Pfleger angesiedelt ist.

4. Psychologie: Bislang kein eigener Studiengang, obwohl es das Fach in Siegen bereits gibt (an der Fakultät II). Weil aber die Kinderklinik einen Schwerpunkt frühkindliche Traumatologie hat, wird ein Studium künftig möglich.

Die Kliniken

Die vier Siegener Krankenhäuser werden als Verbund wortwörtlich zum Universitätsklinikum und bieten Lehre und Forschung auf universitärem Niveau an – sie bilden zusammen die erforderlichen 21 Disziplinen des Medizinstudiums ab und haben mit insgesamt 1800 Betten auch die Größenordnung einer Uni-Klinik. Jede Klinik baut entsprechend bestehenden Schwerpunkten ein Kompetenzzentrum auf, so Grünewald, „qualitativ und quantitativ bilden sie zusammen eine Uni-Klinik.“ Das bedeutet auch, dass Fach-Ressourcen den jeweils anderen Häusern fachlich unterstellt werden und die Krankenhäuser für den Schritt von der Versorger- zur Forschungsmedizin-Klinik ein Stück weit Kompetenzen aus der Hand geben.

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