Siegen. . Der iranische Biochemiker kann in einem Forschungsprojekt an der Uni arbeiten. Unterstützung gibt es von der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Für Ali* öffnen sich an der Universität Siegen neue Türen. Prof. Hans Merzendorfer schließt sie ihm auf. Die Räume sind noch dunkel und spärlich eingerichtet. Aber hier, in den Laboren der Molekularbiologie an der Uni Siegen, wird der 37-jährige Iraner künftig forschen können. Ein Neustart für den Flüchtling.

Die Flucht

Vor einem Jahr kam Ali aus Malaysia nach Deutschland. Als Muslim, der zum Christentum konvertiert ist, konnte er dort nicht mehr bleiben, ebenso wenig in seinem Heimatland Iran. Der Biochemiker hatte einige Jahre an der Universität in Kuala Lumpur gearbeitet. Als Universitätsmitarbeiter ergriff er die Chance auf einen Flug nach Deutschland.

In München gelandet, sei er im Herbst 2016 plötzlich nur noch ein Flüchtling von vielen gewesen und gelangte über Stationen in Essen und Dortmund schließlich in ein Flüchtlingsheim in Siegen. Verzweifelt über die Situation in der Unterkunft, suchte er immer wieder Ruhe und Ablenkung in der Uni-Bibliothek.

Die neue Stelle

Im Frühjahr 2017 wandte sich Ali an Christian Gerhus. Der Vorstudienberater für Flüchtlinge an der Uni Siegen versuchte, dem Iraner zu helfen, stellte Kontakt zu Hans Merzendorfer her. Der lernte Ali kennen und ermöglichte ihm die Aufnahme in sein Forschungsprojekt zur Rolle von ABC-Transportern bei der Elimination von Insektiziden.

Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Da die DFG ein Unterstützungsprogramm für geflüchtete Wissenschaftler hat, konnte Merzendorfer einen Zusatzantrag für Ali stellen. „Inhaltlich passen seine bisherigen Arbeiten in der Biochemie sehr gut zu unserem Projekt.“

Förderung für geflüchtete Wissenschaftler

Seit Dezember 2015 bietet die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) Förderoptionen für geflüchtete Wissenschaftler.

Im Antrag muss begründet werden, dass durch eine Mitarbeit zusätzliche Impulse in Projekte eingebracht werden. Außerdem müssen Infos zum Aufenthaltsstatus vorliegen.

Jetzt lernt Ali seinen neuen Arbeitsplatz kennen. Etwas unsicher folgt er dem Professor durch die Universitätsflure. Auch wenn sein Asylantrag längst anerkannt ist, er die Sammelunterkunft verlassen konnte und nun einen Arbeitsplatz hat, scheint er der neu gewonnenen Sicherheit nicht zu trauen. Vor allem die Sorge um seine Frau, ebenfalls Christin, die noch in Malaysia ist, treibt ihn um.

Die Hoffnung

Malaysia ist ein mehrheitlich muslimisches Land. Eher zufällig entstand damals Alis Kontakt zu einer christlichen Gemeinde – nicht ungefährlich für einen Muslim. Immer wieder gibt es Anschläge auf Kirchen.

Zu Gottesdiensten ging Ali nur, wenn sie in privaten Wohnungen stattfanden. Nach einem Jahr ließ er sich taufen, verheimlichte den Glaubenswechsel aber. Angst wurde zu seinem ständigen Begleiter.

„Alle meine Unterlagen waren in der iranischen Botschaft, und die hatten ohnehin ein Auge auf mich“, sagt er. Wenn man als Iraner im Ausland studieren dürfe, sei man Repräsentant des Landes, werde entsprechend kontrolliert.

Wie weit diese Kontrolle ging, sei ihm erst später bewusst geworden: „Als ich in Malaysia ankam, gab es andere Iraner, die sich um mich ,gekümmert’ haben. Sie wollten mir das Einleben in dem fremden Land erleichtern. Aber tatsächlich ging es darum, mich zu beobachten.“

Dabei habe man wohl kaum befürchtet, dass er zum Christentum übertreten würde. Zuerst sei es nur ein Gefühl gewesen, verfolgt zu werden. Dann fürchtete Ali, dass sein Religionsübertritt bekannt geworden war.

Eines Tages sei er auf offener Straße angegriffen worden. Ali winkt während des Erzählens ab, als könne er die Erinnerungen beiseite schieben. „They wanted to kill me“, murmelt er nur noch und wechselt schnell das Thema. Redet davon, wie dankbar er ist, dass er in Deutschland sein, an der Universität arbeiten kann.

Aber glücklich? Dazu seien die Sorgen um seine Frau zu groß. „Uns ging es mal gut. Wir hatten Geld gespart, wir hatten gute Jobs.“ Jetzt stehe er völlig allein da. Und dann ist da noch seine Familie in Iran.

Ali vermeidet den Kontakt, um sie nicht in Schwierigkeiten zu bringen. „Ich habe alles verloren, aber ich würde mich wieder so entscheiden. Ich möchte in dem, was ich denke und was ich glaube, nicht beschränkt sein.“

Merzendorfer unterstützt den neuen wissenschaftlichen Mitarbeiter soweit er kann, hilft etwa bei der Wohnungssuche. Jetzt hofft Ali vor allem, dass ihm seine Frau bald nach Siegen folgen kann. „Wir sind jung und können nochmal von vorn anfangen.“

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