Siegen. . Prozess um Rothaarhütten-Brandstiftung: 18-Jähriger in schwierigen Verhältnissen aufgewachsen. Jugendstrafe ohne Bewährung vorgeschlagen.
Der 20-jährige Angeklagte hat Weihnachten bei seinen Eltern verbracht, seit gestern arbeitet er wieder. Sein zwei Jahre jüngerer Kompagnon war weiter in U-Haft. Die beiden Männer, die zwischen März und Juni 2017 diverse Straftaten im Siegerland begangen und zugegeben haben – unter anderem ging die Rothaarhütte in Flammen auf — seien trotz des Altersunterschieds gleichberechtigt gewesen. Es habe keine Hierarchie gegeben, sagt ein Zeuge (21), der bei einigen Taten dabei war, allerdings nicht angeklagt ist. Ein vierter mutmaßlicher Beteiligter kommt als Zeuge zur Verhandlung, aus der Untersuchungshaft. Er verweigert auf Anraten seines Anwalts die Aussage.
Im Mittelpunkt stehen am dritten Verhandlungstag die persönlichen Verhältnisse der beiden jungen Männer. Dem 20-Jährigen wird in einem Urteil von 2016 das sture und unreife Verhalten eines Kindes attestiert. Er versichert, in der Haft zum Nachdenken gekommen zu sein, arbeitet und will ein neues Leben beginnen. „Ich weiß jetzt, dass sich so was nicht lohnt und dass ich auch meinen Eltern damit geschadet habe“, sagt er. Seine Mutter sei mit ihm und seinem jüngeren Bruder überfordert gewesen, der Vater nur am Wochenende zu Hause. Der will jetzt aber mehr Einfluss nehmen. Es wird zumindest theoretisch von möglicher Bewährung gesprochen, wenngleich Staatsanwältin Tabea Schneider zweifelt.
In 25 verschiedenen Einrichtungen gelebt
An eine Aussetzung der Strafe ist beim jüngeren Angeklagten kaum zu denken, der schon zehn Monate aus einem früheren Verfahren vor dem Amtsgericht Montabaur mitbringt, die er 2016 eben nicht verbüßen musste. Auch er sei in der Untersuchungshaft das erste Mal überhaupt zur Ruhe gekommen, bescheinigt ihm der Vertreter der Jugendgerichtshilfe.
Der 18-Jährige schildert ein Leben mit einem Dutzend Geschwistern, das für ihn nur bis zum Alter von Sieben normal gewesen sei. Dann wurde sein Vater inhaftiert, die Mutter kam nicht mehr zurecht. „Ich war danach nur in der Psychiatrie, in Wohngruppen und in Obhutnahmen“, berichtet er. Einen Teil seiner Lebensgeschichte will er nur ohne Öffentlichkeit erzählen: „Ich bin doch hier kein Live-Video!“ Der Angeklagte sei mit sieben Jahren zum Rebellen geworden, habe für sich erkannt und ausgenutzt, wie er durch Protest und Aufruhr die Verbringung in immer andere der verachteten Einrichtungen erzwingen konnte. Insgesamt seien das 25 Stationen gewesen, fasst der Mann von der Jugendgerichtshilfe zusammen.
Hoffnung auf ein Umdenken
Irgendwann sei das Jugendamt in Montabaur am Ende gewesen, die Folge war die Entscheidung, die eigene Wohnung in Hilchenbach zu gestatten: „Pädagogisch war er unerreichbar!“ Das könne sich nun vielleicht ändern: „In der JVA hat er gemerkt, er kann Stress machen und fliegt trotzdem nicht raus.“ Die Folge sei für ihn ein Umdenken, eine erste Vorstellung „von einer normalen Zukunft“, was aber an den schädlichen Neigungen – noch – nichts ändere. Der Sozialpädagoge schlägt eine Jugendstrafe ohne Bewährung vor.
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