Kreuztal/Berlin. . Die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung stammt aus Kreuztal. Im Interview spricht sie über Heimat, Altersvorsorge und das Rentensystem.

Von 1983 bis 1988 arbeitete Gundula Roßbach bei der Stadtverwaltung Kreuztal und lernte die Verwaltungsarbeit von der Pike auf. Seit Anfang des Jahres ist sie Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung.

Sie leiten eine Behörde, die so viele Mitarbeiter hat wie manche Stadt. Ist das ein komisches Gefühl?

Gundula Roßbach: Nein, das kam ja nicht von heute auf morgen, das hat sich entwickelt. Ich komme aus einer Stadtverwaltung, der kleinsten Keimzelle der Verwaltung, und bin dann zur Rentenversicherung gewechselt. Bis man an die Spitze einer solchen Behörde kommt, hat man viele Bereiche durchlaufen.

Gibt es Unterschiede bei der Verwaltungstätigkeit?

In der Kommune haben sie die Daseinsvorsorge für die Menschen vor Ort in einer großen Bandbreite zu leisten. Da herrscht das pralle Leben, man muss zusammen mit Stadtrat und Bürgermeister sehen, dass es im Alltag funktioniert. Bei der Rentenversicherung haben wir dagegen eine andere wichtige Aufgabe: Jeden Monat pünktlich die Renten zahlen und das ist uns bisher auch immer gelungen. Für den direkten Kontakt mit den Menschen vor Ort gibt es in der Rentenversicherung etwa die Auskunfts- und Beratungsstellen in größeren Städten, die Versichertenberater in der Nachbarschaft, die Reha-Berater in den Betrieben. Wir setzen aber auch auf Beratung im Internet und telefonische Kommunikation.

Die Deutsche Rentenversicherung hat mehr als 50 Millionen Versicherte und 20 Millionen Rentner. Wie funktioniert die Behörde?

Wir sind wie eine Kommune selbstverwaltet. Unser ehrenamtlicher Vorstand aus Vertretern der Versicherten und der Arbeitgeber fordert jeden Tag, nachzuvollziehen, was in den Betrieben geschieht. Das setzen wir dann in der Rentenversicherung um. Bei uns gibt es, anders als in der Kommune, viel mehr Aufgaben, die sich wiederholen. Mit hohem technischem Aufwand bilden wir dabei Vieles digital ab, etwa monatliche Arbeitgebermeldungen. Außerdem gibt es den großen Bereich Rehabilitation; wir sind als größter Reha-Träger Deutschlands, wenn nicht sogar Europas, dafür zuständig, Menschen wieder fit fürs Arbeitsleben zu machen, damit sie länger am Erwerbsleben teilhaben können.

Ämter und Behörden haben ja den Ruf, schwerfällig zu sein...

Unsere Verwaltungskosten betragen nur etwas mehr als ein Prozent der Gesamtausgaben, im Vergleich zu anderen Institutionen relativ wenig. Wir haben wie alle Verwaltungen sehr umfangreiche gesetzliche Regelungen, die Bürokratie manchmal langsam machen, weil sie für alle Einzelfälle Gültigkeit haben. Wenn man in andere Länder schaut, würde ich Bürokratie auch nicht verteufeln, sie hat etwas sehr Zuverlässiges: Jeder Bürger wird an gesetzlichen Maßstäben gemessen, an sonst nichts. Sie können sich in Deutschland darauf verlassen: Egal wer Anträge stellt, Leistungen in Anspruch nehmen will, wird gleich behandelt.

Woran könnte die monatliche Auszahlung der Renten scheitern?

Im minutiösen Zusammenspiel mit den Banken zahlen wir jeden Monat rund 20 Milliarden Euro an unsere Rentner aus. Wenn in diesem eng getakteten Zusammenspiel ein Baustein nicht funktioniert, haben wir ein Problem. Technische Angriffe auf ein digitales System sind nicht ausgeschlossen.

Gibt es Optimierungspotenzial?

Unsere Auszahlungsabläufe sind schon durchoptimiert, da geht es um wenige Stunden. Das hängt auch von den Banken ab, von Girozentralen: Wie schnell können die Gelder verteilt werden? Wir möchten Wege so kurz wie möglich halten. Viel hängt von Datenverarbeitungszeiten ab: Wie lange brauche ich, um Millionen Datensätze zu bearbeiten, weiterzuleiten, das Geld zu überweisen – wir zahlen Leistungen in fast 200 Länder aus. Das Zusammenspiel hat immer gut funktioniert, wir sind zuversichtlich, dass es das weiter tut.

Ist die Rente sicher?

Zurzeit sind wir mit unserem Rentensystem sehr gut aufgestellt. Die Wirtschaftslage ist robust, es gibt in der Bundesrepublik so viele sozialversicherungspflichtig Beschäftigte wie nie zuvor und damit einen hohen Beitragseingang. Letztlich sind wir Spiegelbild des Wirtschaftslebens: Bei guter Entwicklung von Beschäftigung und Löhnen ist auch die Einnahmelage bei der Rentenversicherung gut. In den vergangenen Jahren gab es deutliche Rentensteigerungen, die Rentner haben real mehr Geld in der Tasche. Rentenniveau und Beitragssatz sind bis 2030 gesetzlich begrenzt. Wie es danach weitergeht, ist eine Aufgabe für eine neue Bundesregierung, hier dem Parlament Vorschläge zu machen.

Wie kann ein stabiles Rentensystem künftig funktionieren?

Auf dem Arbeitsmarkt gibt es eine deutlich höhere Beteiligung von Frauen als früher, die Erwerbsbeteiligung bei den über 60-Jährigen steigt. Und es gibt eine deutliche Zuwanderung nicht nur aus Krisenstaaten, auch aus EU-Ländern. Das hat zu spürbarem Wachstum am Arbeitsmarkt geführt, es sieht deutlich besser aus, als vor zehn Jahren erwartet. Je mehr Menschen Beiträge zahlen, umso stabiler ist das Rentensystem. Man muss aber immer wieder justieren und schauen, wo wir tatsächlich stehen, was angemessene Beiträge und Leistungen sind.

Was antworten Sie dem Rentner, dessen Rente nicht reicht?

Bei der Grundsicherung brauchen mehr als 97 Prozent der Rentner keine ergänzenden Leistungen. Aber: Wie sieht das künftig aus? Wir haben uns in Deutschland nun einmal entschieden, dass der Lebensstandard im Alter nur zusammen mit der zweiten und dritten Säule, betrieblicher und privater Altersvorsorge, gesichert werden kann, nicht nur mit gesetzlicher Rente allein. Im Moment schaffen wir es gut, älteren Menschen eine Perspektive zu geben. Was die Armut im Alter angeht: Drei Viertel der Menschen, die im Alter Grundsicherung beziehen, kommen auch aus diesen Systemen. Es wird schwierig, im Alter den Sprung nach vorn zu machen, wenn man schon vorher wenig hatte. Mit einer Rente auf Erwerbseinkommen-Basis eine echte Herausforderung.

Sind Sie ab und zu in Kreuztal?

Meine ganze Familie lebt in Kreuztal, zu Weihnachten bin ich wieder im Siegerland. Mit Freunden und alten Kollegen treffe ich mich auch – die Besuche sind bei meinem Zeitplan aber eher sporadisch.

Was für eine Stadt war Kreuztal zum Aufwachsen?

Kreuztal ist und bleibt meine Heimat, ich bin gern dort groß geworden. Wir waren viel draußen unterwegs. Was in kleinen Städten prägt: Wenn man etwas erreichen will, muss man es selber angehen, sonst wird das nichts. Das ist in Großstädten anders, vieles ist organisiert, man kann teilnehmen, ohne sich selbst zu engagieren. Kreuztal hat damals wie heute den Sport unterstützt, das Stadion wurde gebaut, dort habe ich damals viel Sport gemacht und war ehrenamtlich in der Jugendarbeit tätig.

  • Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook.