Siegen. . Bündnis für Demokratie mit aktiver Gestaltung des Gedenktags. Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart: Gewalt und Krieg gibt es auch heute.
Zum Jahrestag der Zerstörung Siegens im Dezember 1944 wurde mit Aktionen und Veranstaltungen am Samstag der Opfer von Krieg und Gewalt gedacht. Das Siegener Bündnis für Demokratie hatte mit „Ge(h)denken“ wieder zur aktiven Gestaltung des Gedenktages aufgerufen. Das Gedenken an die Opfer steht dabei genauso im Fokus wie der ständige Bezug zur Gegenwart: Das Bündnis für Demokratie und alle Akteure möchten dazu aufrufen, gegen Krieg und Antisemitismus zu kämpfen.
Schweigeminute am Schloss
Renate Otterbach und Annelore Stenschke erlebten die Bombardierung damals als Zwölfjährige Mädchen mit. Sie nahmen im Rahmen der Aktion Ge(h)denken an der Schweigeminute am Unteren Schloss teil. Die Stimmung ist bedrückt, Hüte werden andächtig gezogen und sich zurückerinnert: „Wir lagen eng umschlungen im Stollen und haben gebetet: Bitte lass unser Haus noch stehen.“ Die Stadt sei sofort in Flammen aufgegangen und die Angst habe sie bis heute nicht losgelassen. „Das Ganze wiederholt sich“, sagt Stenschke.
Abschluss mit Anti-Rechts-Konzert im Vortex
Der ökumenische Gottesdienst in der Nikolaikirche und das Rock-gegen-Rechts-Konzert mit „KAFVKA“, „Jennifer Gegenläufer“ und „Gut & Günstig“ im Vortext lassen den Gedenktag ausklingen.
Eine klare Botschaft hat die Band „Gut & Günstig“: Sie beenden ihren Auftritt mit den Worten „Steh auf, reiß deine Faust in die Luft, dass es jeder sieht. Geh raus, wenn du dich traust, denn jede Flucht hat Asyl verdient.“
Lesung im Dunkelcafé
Das Wort kann mächtiger sein als das Schwert: Die bloße Aufzählung von Namen hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Mehrere Stunden dauert es, die Namen von Verstorbenen und Verschwundenen aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg zu verlesen. Von 14 bis 18 Uhr lesen Interessierte Daten, Namen und Todesalter vor. Das ist nicht viel und trotzdem genug, um die Besucher die Räumlichkeiten bedrückt wieder verlassen zu sehen. Viele Nachnamen klingen vertraut; das Todesalter vieler Opfer: zu jung. „Krieg ist immer eine Extremsituation, in der alle menschlichen Grundregeln aufgehoben werden“, so Bernhard Nolz, der das Dunkelcafé zu Verfügung gestellt hat. Das Gedenken der Opfer sei ein wichtiger Aspekt, aber offenbar nicht Warnung genug für einige Politiker.
Filmvorführung in der Kirche
„Die Zerstörung Siegens hatte eine Vorgeschichte. Sie kam nicht aus heiterem Himmel.“ Mit diesen Worten beginnt Ute Waffenschmidt-Leng ihre Rede zur Vorstellung des Dokumentarfilms „National Bird“ von Sonja Kennbeck, der in der Martinikirche gezeigt wird und das Schweigen über eine der umstrittensten militärischen Maßnahmen der jüngeren Zeit bricht: Den Drohnenkrieg der USA. „Heute kann man denken und begreifen, wenn man es will“, so Waffenschmidt-Leng – eine Aufforderung, die Augen nicht länger vor der Wahrheit zu verschließen.
Theater in der Blue Box
„Hallo Nazi.“ Direkt beim Wort nennt Najib El-Chartouni das Problem, wenn auch nur als Teil seiner Rolle des Geflüchteten Jamal, der mit dem Rechtsradikalen Rudi (Mark Tumba), nach einer Prügelei in eine Zelle gesperrt wird. „Hallo Nazi“ ist dabei nicht nur ein Textauszug, sondern auch der Name des Stücks, aus dem einige Szenen in der BlueBox aufgeführt werden und das eine Brücke schlägt zwischen Rassismus im Zweiten Weltkrieg und dem noch immer aktuellen Rassismus heute. Lutz Hübner hat das Stück verfasst, für die Aufführung im Rahmen von Ge(h)denken umgeschrieben, inszeniert hat es Werner Hahn. Das Stück schafft eine bedrückende, intensive Stimmung und zeigt realistisch, wie zwei Welten auf engstem Raum zusammenprallen. Für Februar und März sind Aufführungen im Apollo-Theater geplant.
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