Siegen. Es kommt auf die handelnden Personen und den Willen zur Zusammenarbeit an, sagen die Rats-Partner von CDU, FDP und Grünen

  • CDU, FDP und Grüne verstehen sich als „Koalition der Möglichkeiten“ — Meinungsverschiedenheiten inbegriffen
  • Es kommt darauf an, dass die handelnden Personen sich verstehen, sagen die drei Fraktionsvorsitzenden
  • Beim Urteil über das Scheitern von Jamaika in Berlin gehen die Meinungen der Siegener auseinander

Bis Berlin hat’s Jamaika nicht geschafft. Aber bis Siegen: Dort arbeiten CDU, FDP und Grüne in einer von ihnen selbst so genannten „Koalition der Möglichkeiten“ zusammen. Sie funktioniert, haben die Partner nach dem ersten Jahr festgestellt. Und es gibt sie, zur Halbzeit der Wahlperiode, immer noch.

1. Beobachtungen: Wie läuft Jamaika in Siegen?

Der Auftritt zeugt von Bewusstsein für die selbst gewählte Marke: Welche der drei Fraktionen auch immer gerade federführend beim jeweiligen Thema ist – gewählt wird der gemeinsame Briefkopf, gesprochen wird stets im Namen der „Jamaika-Koalition“. Das Bündnis macht von seiner Mehrheit – meist – Gebrauch: direkt am Anfang bei der Verlegung der Hammerhütter Schule und der Machbarkeitsstudie für die Landesgartenschau. Später bei der Erhöhung der Steuern noch über den Vorschlag der Verwaltung hinaus und bei der Aufgabe des Löhrtor-Stadtbads (da war die SPD dann allerdings auch mit dabei). Schief gegangen ist, aus Jamaika-Sicht, die Wahl des Kämmerers – da stand die Mehrheit nicht. Den nicht beteiligten Fraktionen fällt auf, dass nun Wichtiges etwas länger dauert: Verwaltungsvorlagen absolvieren – so die Kritik — erst die Reise durch die Jamaika-Gremien, bevor sie auf die Tagesordnungen kommen.

2. Wie schätzen die Partner selbst ihre Zusammenarbeit ein?

Durchweg positiv. „Es geht, und es könnte auch woanders gehen“, sagt CDU-Fraktionschef Rüdiger Heupel. „Wenn man mit­einander fair umgeht, dann funktioniert das.“ Man spricht viel miteinander, man stimmt sich ab, man akzeptiert abweichende Positionen. „Wir wollen die Stadt insgesamt nach vorn bringen.“ Natürlich, berichtet Jens Kamieth (CDU), stellvertretender Bürgermeister, Landtagsabgeordneter und CDU-Stadtverbandsvorsitzender, fragen die eigenen Leute gelegentlich nach der „Handschrift“ ihrer Partei. „Aber das wird bei Grünen und FDP nicht anders sein.“ Michael Groß (Grüne) nennt ein Rezept für die erfolgreiche Zusammenarbeit: „Wir haben gar nicht erst versucht, in allen Fragen Einigkeit zu erzielen.“ Beim Gewerbegebiet in Oberschelden steht die CDU allein, für verkaufsoffene Sonntage heben sich bei den Grünen die Hände nicht. „Das überstehen wir locker.“ Klaus Volker Walter (FDP) glaubt ohnehin, dass die Gräben zwischen den Parteien auf kommunaler Ebene nicht allzu tief sind. Die Partner gingen pragmatisch miteinander um, „bei uns läuft das.“

3. Was glauben die Siegener: Warum klappt das in Berlin nicht?

Über die Grünen in Berlin spricht Klaus Volker Walter (FDP) nicht so freundlich. Die hätten, im Verhältnis zu ihrem Wahlergebnis, „unangemessene Forderungen“ gestellt, sowohl im Bereich des Familiennachzugs von Asylsuchenden („Wir dürfen unsere Sozialkassen nicht überlasten“) als auch bei den Klimazielen („Die wahren Probleme liegen in China, Indien und den USA“). Dass FDP-Chef Christian Lindner Jamaika abgesagt habe, „war der richtige Schritt.“ Michael Groß, Grünen-Fraktionschef in Siegen, sieht das naturgemäß anders. Die FDP hätte bekommen, was sie wolle — zwischen denen, die übrig blieben, seien die Widersprüche am Ende fast noch größer gewesen: „Aber da haben es zumindest alle versucht“, glaubt Groß. „Letztlich hängt das damit zusammen, ob die handelnden Personen als Menschen zusammenfinden.“ „Vielleicht haben sie es so richtig auch nicht gewollt“, überlegt Rüdiger Heupel (CDU).

4. Eine Prognose des Siegener Jamaika-Bündnisses: Wie geht das in Berlin aus?

Michael Groß (Grüne) sieht noch Alternativen zu Neuwahlen, deren Ergebnis sich von dem im September auch kaum unterscheiden werde: „Auch die SPD müsste mit der CDU reden.“ Klaus Volker Walter (FDP) rechnet eher mit einer Neuwahl als mit einer Minderheitsregierung. Die AfD, schätzt er, wäre eher unter Jamaika stark geworden. Jetzt, so Walter, „wird die CDU Federn lassen.“ CDU-Landtagsabgeordneter Jens Kamieth sieht die Parteien nach wie vor in der Pflicht, den „etwas differenzierteren Wählerauftrag“ zu erfüllen. „Ich glaube nicht, dass wir zu schnellen Neuwahlen kommen.“ CDU-Fraktionschef Rüdiger Heupel: „Es wäre schon sinnvoll, sich zusammenzuraufen.

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