Siegen-Wittgenstein. . Landrat Andres Müller und Kämmerer Thomas Damm kontern Kritik der Bürgermeister. Kindergärten in Kreis-Trägerschaft könnten eine Option sein.
- Landrat Andreas Müller: Kreis nimmt Kommunen nichts weg
- Senkung des Hebesatzes 2018: Kreis nimmt dank gestiegener Steuerkraft der Gemeinden trotzdem mehr ein
- Eine Herkulesaufgabe sieht Landrat Andreas Müller im Ausbaubedarf bei den Kindertageseinrichtungen
Landrat Andreas Müller zitiert die „rituelle Fußwaschung“ und nimmt damit eine Anleihe bei seinem Vorgänger Paul Breuer: So habe der das jährliche Zerren zwischen Städten und Gemeinden auf der einen und Kreis auf der anderen Seite um die Höhe der Kreisumlage genannt. Diesmal, bei der Vorstellung des Etats für 2018, entscheidet sich Müller für die Offensive:
Kommunale Aufgaben werden aus einem „Topf“ finanziert. „Wir reden vom Geld der Bürgerinnen und Bürger, es ist ihr Geld.“ Und: „Den Menschen ist ziemlich egal, welche Ebene nun für eine Aufgabe zuständig ist. Sie erwarten schlicht und einfach, dass die Verantwortlichen sich kümmern.“
Der Kreis wird gebraucht: Für Projekte, die nur dann Sinn machen, wenn man sie gemeinsam angeht, oder die für eine Kommune allein zu groß sind. Beispiele: Breitbanderschließung, Klimaschutzkonzept, Regionalmarketing.
Bei den Personalkosten versteckt sich der Kreis nicht, trotz 14 neuer Stellen, von denen neun ganz oder teilweise von Bund oder Land bezahlt werden. 3,16 Prozent betrage die Steigerung der Personalkosten beim Kreis von 2016 auf 2017. Aber 2,56 bis 10,57 Prozent bei den Kommunen. „Damit will ich keine Kritik üben“, behauptet Müller. Was ihn von den Bürgermeistern unterscheiden würde.
Die Kritik, zu großzügig zu planen, lässt Kämmerer Thomas Damm nicht auf sich sitzen. In neun Jahren habe der Kreis 33,2 Millionen Euro Verbesserungen gegenüber den Haushaltsplänen erwirtschaftet — die Städte und Gemeinden 303 Millionen. Wobei Damm verschweigt, dass die eine oder andere Kommune ihren Beitrag zur Kreisumlage, der eigentlich niedriger ausfallen könnte, mit Krediten finanziert.
Die Fußwaschung
Für das nächste Jahr will der Kreis den Hebesatz senken; weil er, dank gestiegener Steuerkraft der Gemeinden, trotzdem mehr einnimmt, hat die Bürgermeisterkonferenz widersprochen. Ganz am Rande deutet Thomas Damm an, wie die „rituelle Fußwaschung“ diesmal ausgehen könnte: Womöglich spart der Kreis bei der Landschaftsumlage 850 000 Euro. Damit wären noch einmal 0,2 Prozentpunkte Nachlass bei der Kreisumlage drin.
Die 1,8 Millionen mehr fürs Jobcenter, um Arbeitslosen höhere Mietkosten zu erstatten, müsse der Kreis dann freilich anders finanzieren, gibt Damm zu bedenken. Immerhin sind da jetzt schon drei Millionen Euro Defizit, die über Kredite aus der Ausgleichsrücklage bezahlt werden müssen. Immerhin: 2017 läuft gut, am Ende kommen nicht zehn, sondern wohl nur sechs Millionen Euro Defizit heraus.
Trotzdem: Weil ein „Sockel“ von fünf Millionen bleiben soll, sei die „Zeit überschaubar“, in der auf diesem Wege noch Löcher gestopft werden können. Danach nimmt der Kreis nicht mehr Kredite auf („Ausgleichsrücklage“), sondern kassiert direkt bei den Kommunen. Dass einer deren Vertreter ihn einmal als „Raubritter“ bezeichnet hat, hat Damm nicht vergessen.
Die Herkulesaufgabe
190 Plätze mehr in diesem Kindergartenjahr, 350 im nächsten. Drei Einrichtungen werden komplett neu gebaut, drei erweitert. Und bis zu vier Großtagespflegestellen für die unter Dreijährigen kommen hinzu. Landrat Andreas Müller spricht von einer „Herkulesaufgabe“, wenn er den Ausbaubedarf bei den Kindertageseinrichtungen beschreibt.
Durchaus präsent ist auch das Szenario, das sich hier und da schon andeutet: Die freien Träger der Kitas haben keine finanziellen Reserven mehr, die Investoren halten sich zurück. Soll der Kreis dann Zuschüsse zu den Baukosten gewähren, selbst investieren oder sogar selbst bauen? „Das ist politisch zu entscheiden.“
Müller macht keinen Hehl aus seiner Priorität: Nach der reinen Lehre fällt die Aufgabe, für die sich kein Dritter findet, an den Kreis, der damit neben der Stadt Kreuztal zweiter großer Kindergartenträger im Kreis würde. Die Bürgermeister haben übrigens gerade die „Lex Netphen“ kassiert: Künftig müssen Städte einen gleich hohen Betrag drauflegen, wenn der Kreis sich — wie beim Container für die Mint-Kita in Dreis-Tiefenbach — an Investitionskosten beteiligt.
Kreis investiert und spart
Das sind Themen rund um den Kreishaushalt 2018, den der Kreistag am 15. Dezember beschließt:
B wie Breitband: Der letzte Förderantrag ist gestellt, der Gewinner der Ausschreibung steht bereit, die Bagger rollen zu lassen. Landrat Müller: „Wir gehören zu den schnellsten in NRW, die auch tatsächlich mit dem Ausbau beginnen werden.“ Die Telekommunikationsgesellschaft Südwestfalen (TKG), einst als Betreiberin von Richtfunk-Datennetzen gegründet, spielt in der neuen Technologie-Ära noch die Rolle der Beraterin, mit 41 000 Euro billiger als eine Personalstelle.
F wie Flughafen:Ganz gleich wie der Kreistag im März entscheidet — den Haushalt der kreiseigenen Betriebs- und Beteiligungsgesellschaft (BBG) belastet er noch lange. Sollte der Kreistag die Stilllegung beschließen, werde auch dafür ein Planfeststellungsverfahren erforderlich, sagt Kämmerer Thomas Damm. Angenommene Dauer: fünf Jahre. Ob dann die Kreisbahn als letzter Verlustbringer übrig ist, ist fraglich. Denn dann läuft das Kreuztaler Container-Terminal, für den Landrat eine „Perspektive für den eigenwirtschaftlichen Betrieb“.
I wie Investitionen: 27 Millionen Euro investiert der Kreis im nächsten Jahr: sechs eigene Millionen und 21 Millionen Fördergelder. Schwerpunkt mit allein zwölf Millionen Euro ist der Breitbandausbau. Insgesamt zehn Millionen Euro stehen für die Kreisstraßen bereit, „das Rückgrat der Verkehrsinfrastruktur“, sagt Andreas Müller. Unter anderem werden die Brücken über das Zinsenbachtal in Dreis-Tiefenbach und das Setzetal in Geisweid erneuert, die K 32 von Netphen bis Brauersdorf und die K 11 in Salchendorf ausgebaut.
P wie Personal: 14 neue Stellen für neue oder erweiterte Aufgaben: Unterhaltsvorschuss künftig bis zum 18. Geburtstag (2,5 Stellen), keine Freistellung mehr von der Baugenehmigung (2), Kommunales Integrationszentrum (3,5), Maschinisten für die neue Fludersbach-Deponie (3). Dennoch: Durch Umstrukturierungen habe er seit seinem Amtsantritt Einsparungen im „deutlichen sechsstelligen Bereich“ erzielt, sagt Landrat Müller. Zwei Referenten-, zwei Amtsleiterstellen und eine Dezernentenstelle sind weg. Arno Wied wird übrigens ab 2018 „nur noch“ Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdezernent sein. Das Referat des Landrates, zu dem auch das Regionalmarketing und der Tourismus gehören, leitet dann Müllers persönliche Referentin Marianne Heinemann.
R wie RWE-Aktien: Die öffentliche Hand sollte sich aus solchen Geschäften raushalten, findet der Landrat und steht zum Verkauf des Aktienbestandes, auch wenn der Kurs gerade anzieht: „Ich bin froh, dass der Kreistag diesen Weg gegangen ist.“ Womöglich ziehen die Optionen so spät, dass der Kreis die Sonderdividende und sogar noch einmal die nächste reguläre Dividende mitnehmen kann. Die Fondsanteile, die der Kreis für den Erlös erwirbt, verwaltet die Betriebs- und Beteiligungsgesellschaft (BBG).
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