Burbach. . Kerstin Cameron-Kutschenreiter lebte jahrelang in Afrika – und kam plötzlich zu Unrecht ins Gefängnis. Nun stellt sie ihre Kunst in Burbach aus.

  • Ihr zweiter Mann beging plötzlich Selbstmord und setzte damit ein Drama in Gang
  • Die Mutter von vier Kindern musste 13 Monate in Untersuchungshaft
  • Heute lebt sie in Burbach und ist Künstlerin – ihre neue Ausstellung eröffnet Freitag

Es ist ein spannendes Leben, das Kerstin Cameron-Kutschenreiter führt – geprägt von Abenteuern und Lebenslust. In Nigeria erblickt sie das Licht der Welt. Später wird sie Pilotin, fliegt von Texas nach Afrika in einer kleinen Maschine und lebt in Tansania. Sie hat Kinder und einen Ehemann. Doch als dieser sich betrunken vor ihren Augen umbringt, beginnt für Kerstin Cameron-Kutschenreiter ein neuer Lebensabschnitt – der sie erst ins Gefängnis und schließlich nach Burbach führt. Jetzt ist sie Künstlerin. Ihre neue Ausstellung eröffnet sie heute. Das Thema: Heimat(en).

Die Ausstellung

Heimaten hat Kerstin Cameron-Kutschenreiter zwei: Afrika und Burbach. So ist auch ihre neuste Ausstellung gestaltet. 20 Ölmalereien wird sie heute Abend in der Burbacher Sparkasse vorstellen. Ihre Bilder sind realistisch gestaltet, gleichen Fotografien. Handwerklich fein gearbeitet präsentiert Cameron-Kutschenreiter ihre Heimaten von der besten Seite. Die Savanne stellt sie einem deutschen Hirsch gegenüber. Ein afrikanisches Kind einem Gartenteich mit Seerose. „Ich male auch gerne Portraits – nur Msungus (Weiße) male ich nicht gerne. Ich habe das bei meinen Kindern probiert, aber die waren entsetzt“, erzählt sie und lacht.

Seit Beginn des Jahres hat sie an den Werken gearbeitet. „Zuerst dachte ich: Oh mein Gott, was male ich denn von hier?“, sagt die Künstlerin. Denn fast ihr gesamtes Leben verbrachte sie in Afrika. Doch es fanden sich Motive in Deutschland, die sie begeistern konnten. Wie der Hirsch („Ich musste ein deutsches Tier malen.“) Gerne hätte die Künstlerin zu jedem afrikanischen Motiv ein passendes Pendant geliefert. „Doch das war zeitlich nicht möglich.“ Eine Erkrankung kam ihr in die Quere. Es ist das erste Mal, dass Cameron-Kutschenreiter auch deutsche Orte abbildet.

Eins ihrer Portraits.
Eins ihrer Portraits. © Cameron-Kutschenreiter

Das Abenteuer

Nicht umsonst hat Kerstin Cameron-Kutschenreiter ein Buch über ihr Leben geschrieben. Mit ihren vielen Abenteuern könnte sie viele weitere Seiten füllen. Mit 29 Jahren lernt sie ihren zweiten Mann kennen: Cliff Cameron, der ursprünglich aus Neuseeland stammt. Er ist Pilot, sie macht ihren Flugschein. „Es hat sich entwickelt“, sagt Cameron-Kutschenreiter. Zwei Jahre später zieht sie mit ihren Kindern zu ihm nach Tansania, denn dort betreibt Cliff Cameron eine kleine Fluggesellschaft. Kerstin Cameron-Kutschenreiter bildet sich fort, macht in Texas weitere Flugscheine. Mit einer kleinen Maschine wagt sie einen Flug von Amerika nach Afrika. Gefährliches Abenteuer.

Die Kehrtwende

Sie arbeitet als Pilotin, bekommt zwei weitere Kinder mit Cliff Cameron und heiratet. Doch ihr Mann verändert sich, trinkt immer mehr. Er investiert in eine Farm und eine Goldmine. „Doch er hat sich verzettelt“, sagt Cameron-Kutschenreiter. Er trinkt noch mehr. Immer öfter gibt es Streit, die beiden trennen sich. Kerstin Cameron-Kutschenreiter zieht mit ihren Kindern in ein separates Haus. Sieben Jahre waren beide ein Paar – bis Cliff Cameron einen folgenschweren Entschluss fasst: Als er seine Frau eines Abends besucht und Sex von ihr will, sagt sie nein. Es kommt zum Streit. Wieder hat ihr Ehemann getrunken. Nach einem Schlagabtausch im Schlafzimmer springt er plötzlich auf. „Ich dachte, er geht raus. Ich habe mich umgedreht und mich aufs Bett gelegt“, sagt die Künstlerin. Doch stattdessen holt sich Cliff Cameron eine Waffe. „Es gab einen Knall und dann ist er umgefallen. Ich stand so unter Schock.“ Selbstmord.

Ein Albtraum startet. Zwei Jahre lang gehen Polizei und Staatsanwalt von Selbstmord aus. Doch Kerstin Cameron-Kutschenreiters Schwiegereltern wollen das nicht glauben. Sie setzen alles daran, die Frau ins Gefängnis zu bringen. Sie heuern einen Privatdetektiv an, nutzen ihre Kontakte zu einflussreichen Personen.

Das Ergebnis: 13 Monate verbringt die Mutter von vier Kindern im Gefängnis. Untersuchungshaft – „80 mal 80 Meter groß war der Bereich. Ich saß dort mit 81 Frauen.“ Auf Mord steht in Tansania das Todesurteil. Doch Kerstin Cameron-Kutschenreiter bleibt stark – und wird freigesprochen. Es gibt keine haltbaren Beweise. Es ist das Jahr 2001. Sie geht nach Kenia.

Der Neuanfang

Dann geht es zurück nach Deutschland. Dort lebt Cameron-Kutschenreiter mit zwei Kindern in einem Haus in Burbach, das ihre Eltern bauen ließen. Die Idee ihres Vaters: einen Ort schaffen, an dem die Familie zusammenkommen kann. „Es war nicht leicht, einen Job zu finden, wenn man sein ganzes Leben im Ausland war.“ Sie entschließt sich dazu, hauptberuflich als Künstlerin zu arbeiten. Und verliebt sich wieder – in einen Mann, den sie bereits aus Schulzeiten kannte. Schicksal.

Ein Verlag kommt auf Cameron-Kutschenreiter zu, will ein Buch über ihr Leben herausbringen. Zunächst hat sie keine Lust, doch der Verlag baut Druck auf. Es sei die Rede von einem Ghostwriter gewesen – das wollte die Künstlerin nicht. Sie schreibt ihre Geschichte auf, weint viel. Die Aufarbeitung des Erlebten tut weh. Das Buch kommt so gut an, dass es kurze Zeit darauf verfilmt wird. Die Frau mit afrikanischen Wurzeln hat alle Hände voll zu tun – mit Kunst, Kindern, Beziehung und sich selbst.

Die Zukunft

Nach der Vernissage geht Kerstin Cameron-Kutschenreiter erst einmal für rund drei Wochen nach Teneriffa. Dort besucht sie ihre Tante und erholt sich. Langfristig gesehen möchte die Künstlerin aber gerne mit ihrem Mann wieder nach Afrika – genau genommen nach Kenia, wo ihre Mutter lebt. Dort sei es „einfach klasse“. „Wir wollten irgendwo hin und haben uns viel angeguckt“, so Cameron-Kutschenreiter. Letzten Endes seien die Beiden wieder auf Afrika zurückgekommen. „Man hat dort einfach ein besseres soziales Umfeld.“ Ihr Herz schlägt eben für ihre Heimat Afrika.

>>>> INFO: Geboren im afrikanischen Nigeria

Kerstin Cameron-Kutschenreiter wurde als Tochter eines deutschen Bauingenieurs in Nigeria geboren. Ihre Mutter wurde in Koblenz geboren, ist in Siegen aufgewachsen und ging 1959 nach Afrika zu ihrem Mann. Kerstin Cameron-Kutschenreiter verbrachte einen Großteil ihres Lebens in West- und Ostafrika.

Zunächst besuchte sie Schulen in verschiedenen afrikanischen Ländern. Doch nach der zehnten Klasse war Schluss. Um ihr Abitur zu machen und sich für ein Studium der Landwirtschaft einzuschreiben, ging sie zeitweise nach Deutschland. Aus dem Studium wurde nichts. Allerdings lernte sie in Bayern ihren heutigen Mann kennen. Die beiden waren Freunde. Verliebt hat sich Cameron-Kutschenreiter in einen Italiener, der in Afrika als Großwildjäger lebte. Sie führte eine Fernbeziehung, zog später zu ihm, bekam zwei Kinder. Die Ehe hielt einige Jahre. Dann lernte sie Ehemann Nummer zwei kennen.

In Kenia und Tansania hat sie in einem Safari-Unternehmen und als Pilotin gearbeitet. Bis zum Schicksalsschlag: dem Selbstmord ihres zweiten Mannes.

Ihre Leidenschaft fürs Malen entdeckte Kerstin Cameron-Kutschenreiter schon früh. Eine afrikanische Künstlerin brachte ihr das nötige Handwerkszeug bei. Erst als sie zurück nach Deutschland kam, wurde die Kunst zu ihrem Beruf.

Über ihr Leben und die Zeit im Gefängnis hat Kerstin Cameron-Kutschenreiter auch ein Buch geschrieben: „Kein Himmel über Afrika“ heißt es. Dieses wurde sogar verfilmt.

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