Annahmen für die Forschung von Markus Jung in der Siegener Stadtgeschichte.

  • Der Wiederaufbau: „Die Differenz zwischen zerstörtem Wohnraum und gestorbenen Bürgern ist in Siegen so groß wie in keiner anderen Stadt“, sagt Markus Jung: Die Stadt wurde fast komplett zerstört – dennoch fanden vergleichsweise wenige Menschen beim Bombenangriff vom Dezember 1944 auf Siegen den Tod – dank der Vorbereitung unter anderem durch intensiven Bunkerbau. Dafür musste nach Kriegsende so schnell wie möglich Wohnraum her, um die vielen obdachlosen Menschen unterzubringen. „Aus dieser Zeit kommt der Ruf der Siegener Betonoptik“, sagt Jung. Dennoch: Im Rahmen der Möglichkeiten basierte der schnelle Wiederaufbau auf den Vorkriegsstrukturen: Die Straßenzüge wurden nicht neu zugeschnitten, die typische Bauweise – Giebel weg von der Straße, die Gauben hin – wurde aufgegriffen.
  • Der Geheimweg: Unter Siegen liegt ein ganzes Labyrinth an Gängen und Gewölben, davon ist Markus Jung überzeugt: An dem Mythos, dass es einen Gang vom Oberen zum Unteren Schloss gibt, da ist etwas dran: Die Keller der historischen Häuser wurden bei der Bombardierung der Oberstadt nicht zerstört. Zuvor hatten viele Hausbesitzer ihre Keller miteinander verbunden, so die Theorie. Falls der reguläre Zugang verschüttet wird, bleibt noch der Fluchtweg durch den benachbarten Keller. Und durch den Nachbarkeller. Und so weiter – „im Grunde muss ich in jedes Haus in der Oberstadt hinabsteigen, um das zu prüfen“, sagt Jung. Dazu kommen mögliche Bergwerksstollen, vermutlich zu großen Teilen durch Bautätigkeiten nachfolgender Jahrhunderte verbaut. Jedenfalls ist belegt, dass im Jahr 1555 Bergarbeiter auf dem Siegberg tätig waren.
Markus Jung erforscht die Siegener Unterwelten.
Markus Jung erforscht die Siegener Unterwelten. © Hendrik Schulz
  • Der Klubb: Die Häuser nahe der Nikolaikirche entstanden womöglich aus Marktständen, die mit der Zeit immer weiter vergrößert und befestigt wurden. Als der Klubb 1869 abbrannte, wurde der Schutt nicht abtransportiert, sondern in die Kellergewölbe geschaufelt – das sparte Zeit und Kosten. Bei der Erneuerung der Fißmeranlage im Rahmen des Städtebauprogramms „Rund um den Siegberg“ werde man, so Jungs Hoffnung, auf Reste alter Kellergewölbe stoßen: Wenn die Stufen teilweise zugunsten einer durchgehend ansteigenden Fläche aufgebrochen werden.
  • Die Quellen: Warum gibt es so viel Wasser auf dem Siegberg? Am Klausborn-Brunnen zum Beispiel fließt so viel Wasser nach, dass im Jahr 1945 ein Junge ertrank, der hineinfiel – die Feuerwehr konnte den Wasserspiegel durch Abpumpen nicht senken. Die Sieg fließt deutlich tiefer am Siegberg vorbei – also Grundwasser auf dem Berg? Markus Jung nennt die Theorie der „kommunizierenden Röhren“: Das umgebende Gebirge baut unterirdisch Druck auf. Häusling, Lindenberg, Fischbacherberg, Wellersberg; sie alle sind höher als der Siegberg. Durch das karstige Felsgestein führen Wasseradern, von oben nachfließendes Wasser drückt das Wasser in den kleineren Siegberg. So ähnlich funktioniert das Prinzip Wasserturm – der Druck entsteht allein durch die Schwerkraft