Siegen. . Zwischen Comedy und Nachdenklichkeit: Mit seinem neuen Programm tourt der Kabarettist seit September. Manches Lachen bleibt im Hals stecken.
Der Ausnahmezustand wird weltweit immer häufiger verhängt. Das zeigen die Spots zu Beginn von Florian Schroeders Auftritt. Der Kabarettist begreift den Ausnahmezustand in all seinen Facetten, von Trump bis Erdogan, von Seehofer bis Helene Fischer. Mit seinem neuen Programm tourt er seit September.
Innenpolitik: „Ihr seid ein schlaues Publikum. Ihr habt beim Opening an den richtigen Stellen gelacht“, sagt Schröder, „wir sind die Guten.“ Das war’s erstmal mit Nettigkeiten: In Mimik und Gestik wie Markus Lanz, süffisant wie die „ZDF heute-show“: Das Ergebnis der letzten Wahl findet er Mist, kabarettistisch aber ein Traum. Cem Özdemir hält er in einer wahrscheinlichen Rolle als Außenminister für spannender als Grünen-Kollegin Katrin Göring-Eckardt, die „Margot Käßmann für Arme“. Den großmäuligen Christian Lindner („Wenn es besoffen sein von sich selbst gibt: Lindner hätte Fahrverbot“) warnt er, sich und seine Kaninchen-FDP nicht zum zweiten Mal von der gleichen Kanzlerin-Schlange fressen zu lassen.
Dass FDP und AfD im neuen Bundestag nebeneinander platziert wurden, findet er nicht schlimm: „Die haben viele Schnittmengen. Die FDP ist die AfD des reichen Mannes.“ Und dass die AfD („Die dümmsten Rechtspopulisten Europas, bei denen jeder achte Deutsche sein Hakenkreuz gemacht hat“) im Bundestag ist, hält er eher für ehrlich als gefährlich. „15 bis 20 Prozent der Deutschen waren schon Rassisten bevor es die AfD gab.“
Außenpolitik: Erdogan und Kim Jong-Un sind Thema, besonders aber Trump: „Ein Vierjähriger im Körper eines 70-Jährigen.“ Für einen Rassisten hält Schroeder den US-Präsidenten nicht: „Selbst dafür ist er zu blöd.“ Das macht ihn gefährlich: „An Trumps Schreibtisch sind zwei rote Knöpfe. Wenn er den einen drückt, bekommt er eine neue Flasche Cola. Das Schicksal der Welt hängt von einer Flasche ab.“
Mitmenschen: Schroeder ist Fan des Internets: „Oft fahre ich in Urlaub, nur um über mein Smartphone zu Hause die Heizung anzumachen.“ Er hasst end- und ratlos diskutierende Seniorengruppen, die in Hauptbahnhöfen anderen Reisenden den Zugang zu den Zügen versperren: „Sinnloses Herumlungern auf Bahnsteigen sollte 50 Euro Strafe nach sich ziehen.“ Schroeder wohnt im Prenzlauer Berg in Berlin, gemeinsame Essenszubereitung auf seiner Kücheninsel („Thermomix für Leute, die noch kochen können“) ist ein Hobby. Dazu lädt er Leute nach ihren Unverträglichkeiten ein. Aber keine Schwaben. Vor allem nicht aus Bietigheim-Bissingen („Das Pjöngjang des Südens“).
Im Lauf von mehr als zwei Stunden zündet Schroeder ein Feuerwerk an Gags mit klug eingestreuten Bildern und Filmen, alle Grenzen zwischen Gut und Böse in Frage stellend. Mit pechschwarzem Humor und als Dialekt-Genie von Merkel über Özdemir und Kretschmann bis zu Johannes Lafer entsteht beste Unterhaltung. Manches Lachen bleibt im Hals stecken. Auch im vollen Lyz mit seinen schlauen Zuschauern.
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