Achenbach. . Das neue Wohnprojekt setzt an geschichtsträchtigem Ort ein Zeichen für ein gutes Zusammenleben und gegen Ausgrenzung und rechtes Gedankengut.
Die Achenbacher wollen sich ihren Stadtteil nicht wegnehmen lassen. Im Gegenteil: Nicht nur schöner soll er werden, sondern eine Zukunft haben. Symbolisch steht dafür, stärker noch als ohnehin, seit gestern die Friedenskirche, jenes hölzerne Gotteshaus, das eine US-Kirchengemeinde kurz nach Kriegsende stiftete als Zeichen der Versöhnung und des Miteinanders. Nun ist die Kirche eine WG, in der Menschen mit Behinderung leben – und quasi nebenbei ein soziales, inklusives, integratives Begegnungszentrum.
Die Probleme
Achenbach ist vielleicht so etwas wie ein Schmelztiegel: ländliche Idylle neben Industriegebieten, soziale Brennpunkte neben Bürgervillen. Die AfD holte hier bei der Bundestagswahl mehr als 25 Prozent. Weil Flüchtlinge bei der Renovierung mithalfen, wurde die Friedenskirche zum Ziel von Vandalismus und rechten Schmierereien. Der Außenklassenraum, eigentlich Teil des Projekts, wurde inzwischen wieder demontiert, mehrfach wurden rechte Parolen oder Hakenkreuze dort angebracht.
„Das werden wir nicht tolerieren“, sagt Günther Langer, Vorsitzender des umtriebigen Heimatvereins und maßgeblich am Wohnprojekt beteiligt. „Jeder Neubürger ist in Achenbach willkommen“, betont er, „wir akzeptieren keine Ausgrenzung von Menschen, die hier leben.“ In Achenbach werde Willkommenskultur gelebt, nicht erst mit der Friedenskirche, aber die steht nun symbolisch besonders dafür.
„Das Projekt verbessert das Zusammenleben im Ortsteil“, sagt auch Bürgermeister Steffen Mues, es werde ein Zeichen gesetzt für ein gutes Zusammenleben, für eine offene und tolerante Gesellschaft, für ein Miteinander. Hier würden Alteingesessene und neue Bürger zusammengebracht – und das passe zum außergewöhnlichen Engagement eines Ortsteils, der alles dafür tue, schwierige Verhältnisse zu verbessern.
Das Projekt
Sechs Menschen leben in der WG im ambulant betreuten Wohnen der AWO. Sie sind Mieter, die Fachkräfte unterstützen sie, wo auch immer es individuell nötig ist. Ziel: Schritt für Schritt ein möglichst eigenständiges Leben führen. „Wohnen ist mehr als ein Dach über dem Kopf“, sagt AWO-Geschäftsführer Andreas M. Neumann, dieses innovative Konzept schaffe Zufriedenheit.
Gemeinsames Wohnen und Arbeiten im Stadtteil sind Wesenskern des Projekts, die Bewohner sollen in die sozialen Netze des Ortsteils integriert werden, gemeinsame Aktivitäten stattfinden. Es gibt einen Kräutergarten, Spielgeräte, bald wird ein Beachvolleyballfeld angelegt. Im Gemeinschaftsraum in der Kirche treffen sich bereits Bewohner und Heimatvereinsmitglieder für Gesellschaftsspiele oder Tischtennis. Als „beispielhaft und zukunftsweisend“ bezeichnen das Wohnprojekt einhellig alle Beteiligten.
Der Weg
Eine Begegnungsstätte sollte die Friedenskirche werden – aber das hätte womöglich im Ort zu einer Konkurrenzsituation geführt. Dann ein Kindergarten – aber für eine optimale Betreuung sind Gebäude und Gelände auch nicht geeignet. Davon ließ sich der Heimatverein nicht entmutigen; schließlich entstand zusammen mit den Denkmalbehörden, der AWO und der Christus-Kirchengemeinde das Wohnprojekt entstand.
223000 Euro hat das gekostet – Geld kam vom Land NRW, der NRW-Stiftung, der Stadt Siegen und Spenden – und 7000 ehrenamtliche Arbeitsstunden. Besonders der Denkmalschutz machte sich verdient: „Was nützt ein Denkmal, wenn es weiter verfällt?“, so Mues. Es gelte vielmehr, Denkmäler für Gegenwart und Zukunft zu nutzen.
Dirk Hermann, Vorsitzender des Presbyteriums der Christus-Kirchengemeinde: „Es tut dem Stadtteil gut, dass die Friedenskirche erhalten bleibt, dass sie Friedenskirche heißt und dass hier Menschen ein Zuhause finden, die oft von der Gesellschaft an den Rand gedrängt werden.“ Dieses Engagement werde dem Vermächtnis der Kirche gerecht.
„Er ist unser Friede“ steht an der Stirnseite des ehemaligen Gottesdienstraums. Und das bleibt da auch stehen; das Gebäude steht unter Denkmalschutz.
- Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook.