Dahlbruch. Loni Kleine übergibt die Leitung an Tobias Kysel und Heike Houf. Die Eltern im Kuckucksnest waren immer die Ersten.

  • Zum Monatsende geht die Leiterin in Rente
  • Loni Kleine hat den Kindergarten aufgebaut und zu etwas Besonderem gemacht
  • Das Kuckucksnest war Vorreiter für viele Projekte, die heute ganz selbstverständlich sind

Der Platz vor dem Kuckucksnest sieht immer noch aus wie immer. Ein ehemaliger Schulhof mit Schlaglöchern, in denen im Winter das Wasser gefriert. Lange Jahre Parkplatz auch für die Kirche nebenan. Hoffentlich im nächsten Jahr endlich asphaltbefreites Spielgelände, 28 Jahre nach der Eröffnung der Kita. Loni Kleine wird das nur noch als Gast erleben. Aus den bunten Luftballons am Zaun ist die Luft schon ein bisschen raus – das Abschiedsgrillfest ist bereits gefeiert. Zum Monatsende geht die Leiterin in Rente, heute hat sie ihren letzten Arbeitstag. „Mir ist das da erst richtig bewusst geworden“, sagt sie.

Das Kuckucksnest

Oder: Was das Besondere an der Kita in der alten Dahlbrucher Schule ist

So etwas kannte man 1990 noch nicht im nördlichen Siegerland: eine Kita, in der Kinder vom ersten Lebensjahr an betreut werden, die ganztags geöffnet ist. Und die nicht von der Stadt, einem kirchlichen Träger oder einem Wohlfahrtsverband betrieben wird, sondern von einem Elternverein.

Als Loni Kleine, die geborene Kredenbacherin, 1992 mit ihrer Familie vom Bodensee ins Siegerland zurückkehrte, machte eine Freundin sie auf den ungewöhnlichen Kindergarten in dem Schulgebäude aufmerksam, aus dem die Förderschule ausgezogen war. Freitags was das Vorstellungsgespräch in der Küche, am Montag hatte die Sozialpädagogin ihren ersten Arbeitstag, 1996 wurde sie Leiterin der Einrichtung. Für sich selbst, gibt sie zu, hätte sie sich das nicht vorstellen können, die eigenen Kinder so früh in eine Kita zu geben. „Aber ich konnte das nachvollziehen, dass man einem Beruf nachgehen möchte und auch muss.“ Doch wenn schon Betreuung durch andere – „dann auch richtig gut“.

Die Eltern

Oder: Warum das Familiäre auch eine Hürde sein kann

„Die intensive Zusammenarbeit mit den Eltern hat mich gereizt.“ Ja, sagt sie, anstrengend seien die Diskussionen sicher auch manchmal gewesen, immer wieder vor allem über das Mittagessen und die Mittagsruhe. Die Beteiligung am Kita-Alltag war groß, bei den Gründern vor allem. Dass das mit den Jahren nachlässt, erklärt sich Loni Kleine auch mit der Wucht der Anforderungen, vor die Familien heute gestellt werden und die sie sich selbst stellen: „Die Eltern sind an der Grenze der Belastbarkeit.“

Trotzdem: Es gibt sie immer noch, die Gartenarbeitsgruppe, die Reparaturgruppe, die Einkaufsgruppe, die Fensterputzgruppe. Vier Stunden Mitarbeit im Halbjahr werden erwartet. Früher wurden so die Kosten für Hauswirtschaftskraft und Hausmeister gespart, zugunsten des Budgets für die pädagogische Arbeit. „Eigentlich ein superschöner Gedanke.“ Eine Zeitlang, berichtet Loni Kleine, hätten die Eltern sogar reihum selbst gekocht. Dass das heute nicht mehr geht, liegt auch an der Größe der Einrichtung.

1995 wurde eine zweite Gruppe aufgemacht, mit derzeit 35 Kindern, davon immer noch elf unter drei Jahren, alle mit dem höchstmöglichen 45-Stunden-Vertrag, ist das Kuckucksnest voll. Loni Kleine erfährt von dem Druck, unter dem vor allem Mütter stehen, die im Handel oder in der Pflege arbeiten: „Manche erfahren erst in der einen Woche, wie sie in der anderen zu arbeiten haben.“ Bei der Auswahl der Neuanmeldungen haben Geschwisterkinder, Kinder von Alleinerziehenden und aus Familien, die sonst keine Verwandtschaft in der Nähe haben, den Vorrang, natürlich spielt auch das Anmeldedatum eine Rolle. Und, das ist das Handicap, der monatliche zusätzliche Mitgliedsbeitrag von 27 Euro, auf den der Elternverein so sehr angewiesen ist, dass er sich den Nachlass aus sozialen Gründen nur selten leisten kann. „Das ist eine Hürde.“

Die Stadt

Oder: Warum die Kita nicht nur für die Kleinsten da ist

„So ein Kuckucksnest ist keine Insel“, sagt Loni Kleine. Die Kita öffnet sich. Nach innen, indem Kinder aller Altersstufen sich jeden Tag selbst einen ihrer vier Spielbereiche aussuchen. Nach außen, indem die Institutionen, Orte und Menschen eingebunden werden, die das Umfeld prägen. Offen in diesem Sinne ist die Kita seit 1997, offiziell seit 2008 mit ihrer Zertifizierung als Familienzentrum. Es gibt Elternkurse, eine Hebamme bietet Beratungszeiten, Schwangerschafts- und Rückbildungsgymnastik an. „So eine Kita muss ja nicht abends leer stehen.“

Loni Kleine erinnert an das Projekt von Heike Kühn, damals „nur“ Jugendpflegerin, die Dahlbrucher Jugendliche an einer Befragung beteiligte. „Die einen und die anderen in Hilchenbach“ hieß die Studie, die Langzeitwirkung hatte: Der ehrenamtliche Arbeitskreis „Integration, Bildung und Familie“ entstand, in dem das Kuckucksnest von Anfang an vertreten ist. Und die Stadt richtete, mit Heike Kühn, ein Familienbüro ein.

Das Zusammenspiel setzte Maßstäbe in Hilchenbach. Im Kuckucksnest selbst auch, seit diesem Kita-Jahr: Endlich war Platz, um auch einmal ein Kind aus einer Flüchtlingsfamilie aufzunehmen, dessen Mutter die Betreuungszeit für einen Sprachkurs nutzen kann. Dass das lange Zeit nicht gelang, „war für mich das Traurigste“, sagt Loni Kleine, „schließlich ist es eine Bereicherung, wenn Kinder aus verschiedenen Nationen zusammenkommen“.

Dem Familienbüro wünscht die Kita-Leiterin mehr Zeit, um die Generationen zusammenzubringen. Der Kulturelle Marktplatz in Dahlbruch als Begegnungsort werde da „sicher neue Möglichkeiten“ eröffnen.

Die Zukunft

Oder: Wie Indianer ins Kuckucksnest kommen

Eine „Baumelbank“ in Blau („meine Lieblingsfarbe“) hat Loni Kleine zum Abschied geschenkt bekommen. So hoch, dass nicht nur die Seele, sondern auch die Beine baumeln können. Das Indianer-Tipi im Gruppenraum ist kein Geschenk. Aber ein Thema. Loni Kleine möchte reisen. Und studieren. Die Archäologie in Verbindung mit der Alt-Amerikanistik an der Uni in Bonn passt zu den Indianern. „Es hat mich schon immer interessiert, wo die Menschheit herkommt“, sagt sie. Und: „Es hat schon immer Völkerwanderungen gegeben: Da, wo es ihnen gut geht, sind die Menschen hingegangen.“ Womit der Bogen in die Gegenwart geschlagen ist.

Dass sie einmal wieder im Kuckucksnest über Indianer vorliest und erzählt, ist gar nicht so unwahrscheinlich. Urlaubsvertretungen, sagt sie, würde sie gern übernehmen. Jetzt überlässt sie das Haus Tobias Kysel, der seit März 2013 im Kuckucksnest arbeitet und nun drei Viertel der Leitungsstelle übernimmt, und Heike Houf, die das vierte Viertel trägt — sie ist seit 1990 dabei, 1994 aus- und 2011 wieder eingestiegen. Ihr Job wird es sein zu überlegen, ob und wie das Kuckucksnest größer werden kann.

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