Siegen-Wittgenstein. . Die Senioren der Gewerkschaft sehen das deutlich in Gefahr: Die Altersarmut steigt, die soziale Spaltung der Gesellschaft werde immer größer.

  • IG Metall hat in Siegen-Wittgenstein 5200 Arbeitnehmer zum Thema Rente befragt
  • Tafelbesuche und Flaschensammeln nicht selten – dürfe kein Massenphänomen werden
  • Staat müsse neben dem Straßen- und Breitbandausbau auch für die Menschen sorgen

Deutschland geht es wirtschaftlich gut – „und Millionen von Menschen haben nichts davon“, sagt Helmut Ermert vom Vorstand der IG Metall-Senioren und ehemaliger Bevollmächtigter der Gewerkschaft: Tausende in der Region müssten inzwischen Lebensmittel bei den Tafeln holen, weil das Geld nicht mehr reicht, darunter eine steigende Zahl von Rentnern – weil die Rente ganz besonders nicht mehr reicht.

Die IG Metall-Senioren fordern die Politik zum Handeln auf, um einen weiteren Anstieg der Altersarmut und die zunehmende Ungleichverteilung in Deutschland zu verhindern. „Viele haben nichts von den sprudelnden Steuereinnahmen und sie haben nichts von der Rekordbeschäftigung“, so Ermert – denn auch die Zahl prekärer Beschäftigungen wachse. „Die Bürger sind pessimistisch, was ihre persönlichen Aussichten angeht“, sagt er – ein wesentlicher Faktor für die zunehmende Unzufriedenheit mit der Politik.

Seit 2000, so der ehemalige Betriebsrat Helmut Six, sei das Rentenniveau um zehn Prozent gesunken, bis 2030 um weitere acht Prozent. „Bei 47 Prozent bezieht ein Durchschnittsverdiener nach 45 Jahren Arbeit 1314 Euro. 2000 waren es noch 1475. Geht es so weiter, sind es 2030 noch 1199 Euro.“ Hinzu komme, dass – Krankheit, Erziehungsurlaub, Teilzeit, Pflege Angehöriger, prekäre Beschäftigung, Studium – kaum jemand auf 45 Jahre komme. Und die private Altersvorsorge könnten sich immer weniger Menschen leisten.

Zahlen

Die Gewerkschaft nimmt Bezug auf den sozialpolitischen Teil der aktuellen Beschäftigtenbefragung von 5200 Arbeitnehmern aller Entgeltgruppen aus dem Kreis.

48 Prozent der Beschäftigten im Kreis geht nicht davon aus, dass sie ihre Arbeit bis zum gesetzlichen Rentenalter von 67 Jahren ausüben können.

94 Prozent wünschen sich Betriebsrenten: „Ein hervorragendes Instrument, um qualifizierte Fachkräfte ans Unternehmen zu binden“, sagt Bevollmächtigter Andree Jorgella. Es gebe nur noch zwei Betriebe in der Region, die Mitarbeitern eine betriebliche Altersvorsorge anböten.

88 Prozent haben kein Vertrauen in kapitalgetriebene Rentenmodelle: Privatvorsorge könne die Lücke durch die Absenkung des Rentenniveaus nicht schließen.

86 Prozent wären bereit, mehr in die Rentenkasse einzuzahlen – wenn dadurch das Rentenniveau stabilisiert würde.

95 Prozent wünschen sich, dass die Krankenkassenbeiträge wieder zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Beschäftigten bezahlt werden.

Forderungen

  • Höheres Rentenniveau: Private Vorsorge, so Six, sei ein Geschäft für Banken und Versicherungen – bei der nächsten Finanzkrise sei das Geld wieder weg. „Wir wollen eine Rente, die die Lebensleistung würdigt und von der man vernünftig leben kann“, so Helmut Six. Tafelbesuche und Flaschensammeln sei jetzt schon keine Seltenheit – das dürfe kein Massenphänomen werden. Das Rentenniveau müsse zudem an die allgemeine Lohnentwicklung gekoppelt werden.
  • Arbeitgeberfinanzierte Betriebsrenten.
  • Gleiche Krankenkassenbeiträge für Arbeitgeber und -nehmer.
  • Finanzierung aus Steuermitteln: Es würden Dinge aus der Rentenkasse finanziert, die dafür nicht bestimmt seien: Die Mütterrente etwa, eigentlich eine gute Sache, so Jorgella. Aber der Staat müsse neben dem Straßen- und Breitbandausbau auch für die Menschen sorgen. „Es geht um eine lebenswerte Gesellschaft“, sagt Helmut Ermert.

>>>>INFO: Die Skepsis wächst

Klaus Peter Schäfer, ehemaliger Betriebsrat der Geisweider Stahlwerke: „Wir setzen auf Solidarität, Zusammenhalt, Generationenvertrag.“ Rentenforderungen seien keine Klientel-Politik: Es gehe um die jungen Leute, die von ihrer Rente kaum noch leben werden können. „Die Skepsis wird größer“, so Jorgella, „sie haben kein Vertrauen mehr ins System.“

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