Deuz. . Schon am Mittag hat die Sonne fast 230 Kilowattstunden Strom erzeugt, die die Maschinen des Deuzer Klärwerks betreibt.
Der Mittwoch war ein schöner Tag. Schon am Mittag hat die Sonne fast 230 Kilowattstunden Strom erzeugt, die die Maschinen des Deuzer Klärwerks betreibt. Abwassermeister Torben Hartmann präsentiert die Zahlen auf dem Tablet-Computer, oben auf der Brücke der 2000 Kubikmeter großen Abwasserreaktoren, die hier seit 2004 die herkömmlichen Klärbecken ersetzen. Bürgermeister Paul Wagener freut sich: „Ein kleiner bescheidener Beitrag zum Klimaschutz und zum Erhalt der Wasserqualität der Sieg.“
Die Fakten
Das wurde gebaut:
368 Solarmoduleauf der Wiese vor dem Klärwerk schaffen eine 552 Quadratmeter große, nach Süden ausgerichtete Kollektorenfläche.
100 Kilowattstunden Strom werden auf diese Weise pro Tag erzeugt, im Durchschnitt, in der Spitzenstunde 90 Kilowatt. „Über den Wolken ist die Sonne immer“, sagt Wagener. Und manchmal ja selbst im Siegerland darunter. Dann springt die Kurve auf Torben Hartmanns Tablet auch schon mal über die 700er-Marke. Oder, wie zuletzt am 7. August, immerhin auf 629 Kilowattstunden.
20 Prozent des Strombedarfs der Kläranlage werden von den Kollektoren gedeckt. Eine größere Anlage hätte vielleicht mehr gebracht, wäre aber unter dem Strich nicht wirtschaftlich, sagt Tiefbau-Fachbereichsleiter Rainer Schild, „so lange nicht, wie man den Strom nicht speichern kann.“ Nachts und an dunklen Tagen liefert die Anlage nicht. Tagsüber erzeugter überschüssiger Strom müsste dagegen ins Netz eingespeist werden. Und das will die Stadt, wegen der geringen Vergütung, vermeiden.
20 000 Euro Stromkosten spart die Stadt pro Jahr nun ein, täglich zwischen 25 und 160 Euro. Investiert hat sie 150 000 Euro.
5500 Tonnen Kohlendioxid werden durch den Verzicht auf Kohle- oder Atomstrom weniger erzeugt.
Die Vorgeschichte
Netphen wollte einmal groß rauskommen mit Photovoltaikanlagen auf Freiflächen, durchaus auch als Alternative zu Windrädern gedacht. Eine Potenzialflächenanalyse, 2014 auf Empfehlung der CDU-Fraktion erstellt, rät, es bei der Nutzung bereits versiegelter Flächen bewenden zu lassen und am besten Sonnenstrom nur dazu produzieren, wo er auch direkt verbraucht wird.
Das führte erneut zum Standort am Klärwerk Deuz — im Gegensatz zu Industriebetrieben konnte hier ein ununterbrochen gleichmäßiger Stromverbrauch garantiert werden. 2011 waren für den Klärwerk-Standort erste Überlegungen angestellt worden, 2013 wurde ein Gutachten vorgelegt. Geprüft wurde auch die Erzeugung von Wärme aus Sonnenkraft und von Strom aus Wasserkraft — beide Varianten fielen als unwirtschaftlich durch.
Die Wiese neben dem Klärwerk gehörte der Stadt nicht; sie konnte letztlich in komplizierten Verhandlungen eingetauscht werden. Dennoch dauerte es bis Oktober 2016, bis eine Baugenehmigung auf den Tisch kam. Anfang 2017 schließlich wurden die Arbeiten ausgeschrieben, im Mai wurde der Auftrag vergeben.
Der Wiesenknopf
Das ist der Grund für die lange Planungszeit: Auf der Wiese wuchs der Wiesenknopf. Das ist die Wirtspflanze für den dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling. Einen selten Schmetterling. der seine Eier in die Blüten legt, die wiederum im Ameisennest im Wurzelbereich überwintern, bis im Juli die verpuppten Larven schlüpfen. Die Stadt ließ einen Teil der Wiese ungemäht und hielt den künftigen Standort der Kollektoren flach. Damit wurde der wertvolle Falter zum Umzug genötigt — ein Verfahren, das auch bei der Verlegung der Sieg in Dreis.Tiefenbach erforderlich wurde. Jetzt, nach Abschluss der Bauarbeiten, „kann er die Anlage wieder nutzen“, sagt Rainer Schild. Der Bläuling. Wenn er dann noch will.
>>>Info
Die Kläranlage Deuz reinigt die Abwässer von 8500 Einwohnern aus dem oberen Sieg- und oberen Werthetal. Die Reaktoren bewältigen bis zu 130 Liter in der Sekunde.
- Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook.