Siegen/Drolshagen. . Unterwegs mit den Ausbildern der Sprengtechnischen Lehrgänge Siegen im Steinbruch Drolshagen-Scheda. Teilnehmer lernen richtig zu sprengen.
- Männer und Frauen üben in dem ruhenden Teil des Steinbruchs den richtigen Umgang mit Sprengstoff
- Ausrichter sind die Sprengtechnischen Lehrgänge Siegen
- Die richtige Menge Sprengstoff ist entscheidend – und das immer, jederzeit und bei allem
Nach der Detonation gibt es Mittagessen, was wenige hundert Gramm Sprengstoff anrichten, sehen sich die Lehrgangsteilnehmer nach der Pause an. „Schießbereit“ knistert es aus dem Funkgerät, „Zündung erfolgt bei 1-2-3“. Sprengingenieur Ludger Staskiewicz sitzt in einem Metallkasten, in knapp hundert Metern Entfernung davon stecken 600 Gramm Eurodyn 2000 im Gestein. „Zündung erfolgt“, gibt Staskiewicz durch, das dritte Signal ertönt. Dann rumst es im Steinbruch Drolshagen-Scheda.
Lehrgang: Ein gutes Dutzend Männer und Frauen sind an diesem Mittwochmorgen in den Steinbruch gefahren und üben in dem ruhenden Teil den richtigen Umgang mit Sprengstoff. Ausrichter sind die Sprengtechnischen Lehrgänge Siegen. Die ganze Woche haben sie gepaukt; Rechtsvorschriften, Beförderung, Gesundheitsschutz, Aufbau von Sprengstoff, Vorbereitung von Zündmaschinen und natürlich die richtige Sprengtechnik. Jetzt kommt der Praxisteil.
Respekt: Den darf man nie verlieren, schärft Ludger Staskiewicz den Teilnehmern ein. Die richtige Menge ist entscheidend, exakt die richtige Menge und das immer, jederzeit und bei allem. Das Loch für den Sprengstoff muss tief genug sein, aber nicht zu tief. Die Spannung der Zündung muss groß genug sein, um den Widerstand der Sprengkapseln und des Drahts zu überwinden, aber nicht zu groß. Die Menge des Sprengstoffs muss ausreichen, den Stein in die gewünschten Bruchstücke zu zerlegen. Und die Sprengladungen müssen unter Umständen in einer ganz bestimmten Reihenfolge ablaufen. Das alles wird gemessen, geprüft, nochmal gecheckt, lieber doppelt und dreifach als einmal zu wenig. Jürgen Schroer, Leiter der Siegener Sprengtechnik hat dazu einen Lieblingssatz: „Sprengen ist High-Tech in schweren Stiefeln.“
Steinbruch: Die Produktion ruht in diesem Teil, Grauwacke wird zur Zeit nicht abgebaut, aber stillgelegt ist er nicht, der Steinbruch. „Wir können jedenfalls werkeln, ohne die Betriebsabläufe zu stören“, sagt Jürgen Schroer. An einem Gestell hängen Zünderketten, um den zeitlichen Ablauf zu demonstrieren, es liegen Knäpper säuberlich aufgereiht nebeneinander. Knäpper?
Mit den Sprengstoff-Ausbildern im Steinbruch
Knäpper: Steine, die aus dem Fels gesprengt wurden und für den Vorbrecher zu groß sind. „Sie müssen zerkleinert werden, um die Maschine nicht zu beschädigen“, erklärt Schroer – ein altes Verfahren, aber gut zum Üben. Die Sprengladung kann einfach aufgelegt werden, dann wirkt sie wie ein großer Hammer – dafür braucht man aber ziemlich viel Sprengstoff, es ist laut und gibt viel Steinflug. Also bohrt der Betreiber des Steinbruchs, die Basalt Actien AG (BAG) Löcher, die Teilnehmer füllen die mit genau der richtigen Menge Sprengstoff. „Den Knäpper laden“, sagen die Fachleute. „Das zerlegt den Knäpper nicht vollständig, sondern in baggergerechte Steine“, sagt Schroer. Knäpper Nummer 40 zum Beispiel. Auf einen Kubikmeter schätzen die Teilnehmer das Volumen dieses Brockens: Wo wirkt die Ladung aufs Gestein? Wie viel Sprengstoff muss wo platziert werden, dass die Stücke klein genug sind, aber nicht durch die Gegend fliegen?
Grabensprengen: Bagger kommen an ihre Grenzen, wenn der Fels zu fest ist. Wieder kommt Sprengstoff in ein Raster von Bohrlöchern, die Detonation lockert das Gestein – und der Bagger kann loslegen. Wichtig: Die Sprengladungen zünden nacheinander, dafür werden verschiedene Zünder benutzt, die Stück für Stück das Gestein lockern. „Stück für Stück“ heißt hier: In Sekundenbruchteilen hintereinander – aber exakt berechnet.
Zünder oder Sprengpatrone: Im Grunde eine Art Glühbirne ohne Glaskolben: Ein Draht zwischen zwei Kontakten erhitzt sich. Eingebettet ist der Draht in ein eine Art Streichholzmasse – die entzündet sich und jagt den pyrotechnischen Satz hoch, eine kleine Menge Sprengstoff, knapp ein Gramm. Der wiederum lässt die damit verbundene Ladung detonieren. Die Sprengtechniker unterscheiden verschiedene Typen, etwa Lang- und Kurzzeitzünder. Und hier kommt es drauf an: Gezündet werden alle gleichzeitig. Manche Zünder brennen schneller ab, manche langsamer – und so lässt sich eine Sprengkaskade in Gang setzen, zum Beispiel in Steinbrüchen. „Die erste Ladung nimmt Steine mit. Die zweite Ladung geht genau im richtigen Moment hoch und setzt diese Welle der fortlaufenden Zerstörung fort“, erklärt Schroer. Wenn es denn zeitlich optimal abgestimmt ist. Sprengt eine Ladung zu viel Gestein ab, ist die zweite Ladung zu groß für das übrig bleibende Gestein – Steinflug.
Schweinepfote: Ein Zünder allein hat eine beachtliche Wirkung. Staskiewicz und Schroer hängen eine Schweinepfote – anatomisch einigermaßen ähnlich einer menschlichen Hand – in die Zündkette, einen Eimer stülpen sie über einen am Boden liegenden Zünder, eine Patrone kommt in einen Wassereimer – Wumm. Die Ergebnisse: Die Schweinepfote ist völlig zerfetzt (Schroer: „Da macht auch ein Handchirurg nichts mehr, weil die Hand weg ist“), der leere Eimer hoch in die Luft geflogen und der Wassereimer so zerknautscht, dass er grade noch zum Sandholen taugt. Das Wasser ist wie ein Stopfen aus dem Behälter geschossen, der Unterdruck hat das Blech zerknüllt wie eine Serviette.
Sprengschnur: Wird häufig für Holzsprengungen eingesetzt, bei „Problembäumen“ an steilen Hängen oder in Schonungen wie jenen, in denen nach Kyrill die Stämme kreuz und quer – und auf Spannung – übereinanderlagen. Der Einsatz mit der Motorsäge wäre lebensgefährlich, also wickeln die Sprengtechniker die Schnur, im Grunde eine lange, dünne Patrone, um das Holz – und die Detonation kneift den Stamm durch wie eine Zange ein Stück Draht.
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