Siegen. . Es wird eng am Campus Adolf-Reichwein-Straße: Für 70 Millionen Euro wird der Standort saniert und modernisiert – auf 33.956 Quadratmetern.

  • Bauliche Herausforderungen: Komplex in einem Stück gebaut, Leitungen müssen verlegt werden
  • Beschleunigung beim Zeitplan: Innovatives Vergabeverfahren spart zwei Jahre Zeit
  • 600 Angestellte betroffen: 300 Büros und 31 Seminarräume, Mensa und Bibliothek ziehen um

Die Uni muss zusammenrücken. 33 956 Quadratmeter, rund ein Drittel der Gesamtfläche der Universität Siegen, werden ab Oktober zwei Jahre lang saniert und stehen dem Hochschulbetrieb nicht zur Verfügung – Forschung, Lehre und Gastronomie finden aber weiter am 40 Jahre alten Standort Adolf-Reichwein-Straße (AR) statt. Dank eines für öffentliche Bauaufträge innovativen Vergabeverfahrens spart die Hochschule aber Zeit. Die Baukosten betragen etwa 70 Millionen Euro.

Die Herausforderung

„Der Komplex wurde in einem Stück gebaut“, sagt Helmut Heitkamp, Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) NRW – entsprechend gibt es technische Komplikationen, weil Versorgungs- und Datenleitungen quer durch die Gebäudeteile verlaufen. Das Bistro beispielsweise wird selbst nicht saniert, kann aber aus technischen Gründen nicht öffnen, weil sämtliche anliegenden Trakte modernisiert werden. „Aber auch im Interim sollen gute Forschung und Lehre stattfinden“, sagt Heitkamp.

Die Interim-Mensa im Containerbau auf der Haardter-Berg-Wiese bietet weniger Platz als der Gebäudeteil M: 730 statt 884.
Die Interim-Mensa im Containerbau auf der Haardter-Berg-Wiese bietet weniger Platz als der Gebäudeteil M: 730 statt 884. © Hendrik Schulz

Die Vergabe

Planung und Ausführung der Ausgaben hat der BLB gekoppelt ausgeschrieben: Baufirmen sollten sich ein Planungsbüro suchen und gemeinsam bewerben. Damit wurde wenigstens ein langwieriger Vergabeschritt übersprungen und das Projekt gewann wertvolle Zeit: Bis zu zwei Jahre schneller ist der Campus fertig. „Ein Pilotprojekt für den BLB“, sagt sein BLB-Kollege Wolfgang Feldmann – bewährt sich das, werde man die beschleunigte Vergabe öfter anwenden. Denn: Uni und BLB waren unter Zeitdruck, die Mittel für den Hochschulumbau standen nur bis 2019 zur Verfügung.

Der Plan

Die „Lebensader“ des Campus zwischen Mensa und Bibliothek wird gesperrt, die Büro- und Seminargebäudeteile (H und K), die Mensa (M) und UB (Bibliothek) werden entkernt, saniert und neu gestaltet. Die Mensa zieht in einen Containerbau auf der Haardter-Berg-Wiese, der Großteil der Bibliotheksbestände ins ehemalige Möbelhaus Bald in Weidenau (wir berichteten). Für die 300 Büros und 31 Seminarräume, vorwiegend der Philosophischen Fakultät, entsteht Ersatz im Container-Bau neben dem Rektorat (Foto). Das betrifft rund 600 Angestellte der Uni, 70 des Studentenwerks.

Die Großküche der Mensa ist künftig ebenfalls im Containerbau untergebracht.
Die Großküche der Mensa ist künftig ebenfalls im Containerbau untergebracht. © Hendrik Schulz

Die Logistik

Bauarbeiten: Anwohner können beruhigt sein, Lastwagen werden nicht durchs Wohngebiet am Haardter Berg fahren. Ohnehin, so Heitkamp, sei die Sanierung nicht so materialintensiv wie ein Neubau, für den beispielsweise Fundamente gegossen werden müssen, was entsprechende Erd- und Betonbewegungen nach sich zieht. Im Wesentlichen werden die charakteristischen Balkone abgeschnitten und abtransportiert, übrigens mit Nassschneidewerkzeugen, um Staubbelästigung vorzubeugen. Die Lastwagen kommen – wie die Busse – über die Hochschulstraße. Und damit der ÖPNV möglichst wenig beeinträchtigt wird, installiert der BLB eine elektronische Zeitschaltung: Die Baufirmen buchen online bestimmte vorgegebene Zeitfenster, in dem sie den Campus vom Bereitstellungsplatz aus ansteuern wollen. Heitkamp rechnet anfangs mit höchstens zwölf Lkw pro Tag.

Studentenwerk: Auch hier erfolgt die Anlieferung nicht durchs Wohngebiet, so Geschäftsführer Detlef Rujanski.

>>>>HINTERGRUND: Perspektiven für die Zukunft

Einmal mehr ist die Campus-Sanierung am AR Teil einer langfristigen Strategie der Uni. 29 Milliarden Euro schwer ist der Sanierungsstau an den Hochschulen der Republik, 4,5 Milliarden davon in NRW. Mit dem Hochschulmodernisierungsprogramm (HMoP) für das Untere Schloss, dem Vorläufer des aktuellen Hochschulbaukonsolidierungsprogramm (HKoP) konnte die Uni Siegen das Land überzeugen, so Kanzler Ulf Richter, weil man über die geplante Standortentwicklung gute Perspektiven aufgezeigt habe.

Das zeige sich auch daran, dass die Standortmodernisierung in Siegen der Kategorie A zugeordnet wurde und unter den NRW-Hochschulen Priorität genieße, so Richter: „Wir sind eines der größten Einzelprojekte im gesamten HKoP-Programm. Und das schnellste.“ Dank des beschleunigten Vergabeverfahrens des BLB (siehe oben). „Jetzt beginnt die harte Zeit“, so Richter, „aber Geld und Zeit sind gut investiert.“ Denn nachher sei die Uni für Studenten und Dozenten attraktiver – und darum mache man das ja schließlich.

Zwar werden große, wichtige Teile des Campus saniert – weitere Trakte sind aber ebenfalls sanierungsbedürftig, Gebäude D zum Beispiel, mit den großen Hörsälen. „Für diese folgenden Schritte gibt es derzeit noch keine Finanzierung“, sagt Helmut Heitkamp, „wir sind aber dabei, neue Raumprogramme zu schreiben und genehmigen zu lassen“, ergänzt Richter. Die Umsetzung der bisherigen Großprojekte habe Vertrauen bei der Landesregierung geschaffen.

Als „kühnen und brillanten Plan“, bezeichnet Helmut Heitkamp die AR-Modernisierung – und als einen Baustein, der weitere Schritte nach sich ziehe – zum Beispiel die Erweiterung des Standorts zum Science Campus oder den Umzug in die Stadt. „Die Uni wird auch inhaltlich zukunftssicher aufgestellt – das Projekt ist weit mehr, als den Standort technisch auf Stand zu bringen.

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