Siegen. . Protestort, Technologiezentrum, Anlaufstelle der Kulturszene: Dass das Lyz ein Gebäude mit besonderer Bedeutung ist, zeigt ein neues Buch

  • Ein neues Buch erzählt die Geschichte des Lyz’ entlang besonderer Stationen
  • Von den Anfängen über den Schülerinnenstreik 1969 bis zum heutigen Status als Kulturhaus
  • Regional- und Zeitgeschichte auf 168 Seiten

Eine Schulleiterin ging. Ein Beatle kam. Zwar liegen fast 30 Jahre zwischen beiden Ereignissen, aber es gibt ein verbindendes Element: das Lyz. Die 131-jährige Geschichte des Gebäudes erzählt das Buch „Von wilden Mädchen, Paul McCartney und viel Kultur“. „Es ist auch ein Stück Regional- und Stadtgeschichte geworden, fokussiert auf ein Haus“, sagt Kreiskulturreferent Wolfgang Suttner, Herausgeber und einer der vier Autoren – neben der Journalistin Cornelia Sauer, dem Journalisten Raimund Hellwig und Kreis-Archivar Thomas Wolf.

Die Schule

Heute ist das Gebäude vor allem als Kulturhaus bekannt, und „viele, die ein- und ausgehen, sind sich nicht bewusst, was ,Lyz’ bedeutet“, sagt Landrat Andreas Müller. Der Name leitet sich von „Lyzeum“ ab, im März 1886 wurde dort die neu gebaute „Städtische Höhere Töchterschule“ in Betrieb genommen. Ideen, die Historie in einem Buch aufzuarbeiten, habe es schon früher gegeben, sagt Wolfgang Suttner. Nun liegt das 168-seitige Ergebnis in einer Auflage von 1000 Stück vor. Er habe als Herausgeber darauf geachtet, dass es „informativ und gleichzeitig vergnüglich zu lesen“ sein soll, betont Suttner. Übrigens: mit Erfolg.

Der Streik der Schülerinnen

Rein sachliche Informationen gibt es, gut und übersichtlich aufbereitet, reichlich. Das Buch erzählt Geschichte vor allem mittels besonderer Geschichten, die das plastische Bild eines Ortes zeichnen, an dem sich reales Leben abspielte – und abspielt. Cornelia Sauer erlebte als 13-Jährige im Oktober 1969 den fünftägigen Streik der Schülerinnen mit, an deren Ende die Direktorin Ursula Erfurt gehen musste. Sauer hat für ihren Beitrag mit Zeitzeuginnen geredet, hat sich gezielt gegen eine nüchterne Abhandlung von Fakten und für eine Perspektive derjenigen entschieden, die damals mittendrin und mit den Verhältnissen unzufrieden waren. Die Moral- und Führungsvorstellungen der Schulleiterin werden als – vorsichtig formuliert – äußerst altmodisch geschildert. Es gab Ärger wegen Hosen, wegen Miniröcken, wegen jeglichem Kontakt mit Jungs. „Sie passte nicht mehr in diese Zeit“, sagt Sauer. Doch es ging nicht nur um eine einzelne Person, „dahinter steckte der ganze kulturelle Umbruch“. Die Dinge änderten sich in den Jahren danach; wie sehr, das zeigt eine Szene aus dem Handarbeitsraum, die Sauer erzählt. „Während wir vorher Kissen für die Aussteuer nähen mussten, konnten wir nun Mini-Kleider im Weltraumlook machen.“

Der Beatle

Kreis-Kulturreferent Wolfgang Suttner bezog 1990 sein Büro im Gebäude, zuvor war es, nach Auszug des Mädchengymnasiums, als Berufsschule und Technologiezentrum genutzt wurden. Die Eröffnung als „Medien- und Kulturhaus Lyz“ wurde am 9. November 1996 gefeiert, und trotz aller bekannten Künstlerinnen und Künstler, die sich dort seitdem die Klinke in die Hand geben, sticht ein Name aufgrund seiner weltweiten Berühmtheit natürlich heraus. Paul McCartney, Ex-Beatle, stellte dort zum weltweit ersten Mal seine Gemälde aus. Wolfgang Suttner beschreibt in seinem Beitrag, wie er den Weltstar dafür gewinnen konnte, eingebettet in seine Ausführungen über die Entwicklung des Kulturhauses insgesamt zu einem Veranstaltungsort mit 40 000 Besuchern jährlich.

Die Zielgruppe

Dass das Buch auf Interesse stoßen wird, davon ist Suttner überzeugt, „weil es sehr viele Menschen in der Region gibt, die mit dem Haus verbunden sind“. Es wird aber deutschlandweit bestellbar sein. Zu Recht: Denn es ist nicht nur ein Stück Regional-, sondern auch Zeitgeschichte.

>>>>INFO

„Von wilden Mädchen, Paul McCartney und viel Kultur“ ist ab 3. Juli erhältlich. Es hat 168 Seiten und enthält 66 Abbildungen. Herausgeber ist Wolfgang Suttner im Auftrag des 1. Förderclubs für Kleinkunst und Varieté.

Ein Glossar macht alle erwähnten Namen schnell auffindbar.

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