Siegen. . Das St. Marien-Krankenhaus Siegen bündelt medizinische Fachrichtungen und Strukturen, aus dem eigenen Haus und zusammen mit externen Partnern.

  • Kliniken für Kardiologie, Gefäßchirurgie und interventionelle Radiologie zusammengeführt
  • Versorgung von jährlich 7000 Patienten in einem der größten interdisziplinären Zentren NRW
  • Lehrstühle für Technologiemanagement und Medizininformatik nebst weiteren Partnern dabei

Das Herz- und Gefäßzentrum Südwestfalen am St. Marien-Krankenhaus hat seinen Betrieb aufgenommen. Dazu hat das Krankenhaus seine Kliniken für Kardiologie, Gefäßchirurgie und interventionelle Radiologie zusammengeführt und mit externen Partnern ein „medizinisches Hochleistungszentrum“ geformt. So drückt es Hans-Jürgen Winkelmann, Geschäftsführer des St.-Marien-Krankenhauses aus. Beteiligt sind neben anderen Krankenhäusern etwa niedergelassene Ärzte und die Uni Siegen mit ihren Lehrstühlen für Medizininformatik und Technologiemanagement.

Eine „Herzkammer“ des neuen Zentrums: Das Herzkatheterlabor
Eine „Herzkammer“ des neuen Zentrums: Das Herzkatheterlabor © Hendrik Schulz

Konzept

Das Krankenhaus hat die Schwerpunkte, die es sowieso schon hatte, örtlich, strukturell und medizinisch zusammengeführt und „eines der größten interdisziplinären Zentren in NRW“ (Winkelmann) geschaffen. Ziel: Versorgung von 7000 Herz- und Gefäßpatienten pro Jahr, Perspektive nach oben.

Veränderungen

Früher: Im Grunde, erklärt Prof. Frank Willeke, Chefarzt Gefäßchirurgie, entschied der Pförtner darüber, in welche Abteilung ein Patient kam. Bei Verdacht auf Herzinfarkt kam man in die Kardiologie, später schauten sich Ärzte vielleicht auch noch die Beingefäße an, „denn wenn man Arteriosklerose in den Herzkranzgefäßen hat, ist es wahrscheinlich, dass man sie auch in den Unterschenkeln hat“, so Willeke. „Der Kardiologe sieht nur das Herz und vernachlässigt alles andere“, pflichtet ihm Prof. Michael Buerke, Chefarzt Kardiologie, bei. Und so handhabten das die meisten Fachärzte: Sie fokussierten sich auf ihre Expertendisziplin.

Heute: Das neue Zentrum sucht den Schulterschluss, von Beginn an. Wie in der Werkstatt: „Wenn die Mechaniker die Bremsbeläge wechseln und nach zwei Wochen bleibt ihr Auto mit durchgerosteten Bremsleitungen liegen, beschweren sie sich zu Recht, dass sie nicht das ganze Bremsanlage überprüft haben“, sagt Privatdozent Dr. Christian Hohl, Leiter der interventionellen Radiologie. Und genau so werde das gehandhabt im neuen Zentrum an St. Marien: Zunächst wird eine standardisierte, umfassende Diagnostik durchgeführt, der Patient ganzheitlich durchgecheckt, dann beraten die Experten der einzelnen Fachrichtung das beste Vorgehen.

Auf der Station wurde eigens eine Station für Basisdiagnostik eingerichtet.
Auf der Station wurde eigens eine Station für Basisdiagnostik eingerichtet. © Hendrik Schulz

Alltag

Mindestens 45 Ärzte, 60 Vollzeit-Pflegestellen und 120 Betten hat das neue Herz- und Gefäßzentrum. Ein ganzes Gremium an Experten, das gemeinsam über die optimale Therapie entscheidet. Um den Patienten unnötigen Aufwand zu ersparen, wurde in der 5. Etage ein Aufenthaltsraum zur Funktionsdiagnostik umgewandelt. „Man muss nicht mehr quer durchs ganze Haus gefahren werden, sondern bleibt auf Station“, sagt Winkelmann.

Auch die Pflegeteams wurden neu gemischt. Jede Disziplin hat Fachpersonal als Ansprechpartner auf Station, der Ansatz sei aber gesamtheitlich, betont Pflegedirektor Frank Schaan: „Jede Kompetenz ist in jedem Team vertreten.“

Für Bereiche, in denen das Marien-Krankenhaus keine starke Eigenexpertise hat, gibt es die externen Partner. „Wir haben zum Beispiel keine Herzchirurgie in der Region“, sagt Winkelmann, deshalb ist die Partnerklinik Bad Nauheim am Zuge, wenn man in Siegen nicht mehr weiterkommt. Und in der Regel, so Willeke, gehen die Patienten zuerst in die Praxen der niedergelassenen Kardiologen – „wir holen den Patienten da ab, wo der Behandlungsbedarf ist.“

>>>>KOMMENTAR von Hendrik Schulz

Krankenhäuser sind Königreiche, ihre Schätze die Patienten – und die teilt man nicht. Es gibt durchaus Kliniken, die von sich glauben, dass jeder noch so komplizierte Eingriff, jedes gesprengte Schultergelenk, jedes verengte Gefäß auf jeden Fall im eigenen Hause behandelt werden solle. Der Blick über den Tellerrand der Disziplin? Endet spätestens an der Zufahrt zur eigenen Klinik, wenn nicht an der Sicherheitstür zur nächsten Abteilung. Da spielt sicher auch der Kostendruck im Gesundheitssystem eine Rolle – aber zum Wohle des Patienten ist das nicht. Erstaunlich, dass das im Jahr 2017 immer noch so oft vorkommt.

Umso mehr zu loben ist der interdisziplinäre Ansatz; gewachsene Strukturen zu durchbrechen, das eigene Großmannsdenken abzuschalten – und auch noch andere mitzunehmen, denn das St.-Marien-Krankenhaus konnte ja zum Beispiel das Kreisklinikum davon zu überzeugen, in die gleiche Richtung mitzuziehen.

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus – was in der Siegener Krankenhauslandschaft derzeit geschieht, kann man getrost als Vorbereitung auf ein regionales Universitätsklinikum werten.

>>>>INFO: Nachwuchsausbildung

Das Zentrum kann auch als I nstrument für die Nachwuchsgewinnung dienen, so Dr. Christian Hohl: Es bietet das gesamte Spektrum der Herz- und Gefäßmedizin an, Nachwuchsärzte können innerhalb des Teams die Fachrichtung wechseln.

Weiterer Standortfaktor: Die Universität plant in Kooperation mit der Uni Bonn eine Ärzteausbildung in Siegen – die dafür relevanten Siegener Lehrstühle sind im neuen Zentrum an Bord.

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