Siegen. . „Was ihr wollt“ wird bei Siegener Apollo-Bühne als alberner Trash-Klamauk dargeboten – da nützen auch gute Darsteller nichts.
Die Lebensgeschichte des größten Theatergenies aller Zeiten liegt auch 400 Jahre nach seinem Tod weitgehend im Dunkeln. Manche vermuten sogar, dass sich hinter dem Namen William Shakespeare ein ganzes Team von versierten Londoner Theatermachern um 1600 verbirgt. So ist der meistgespielte Dichter der Welt zugleich der, von dessen Leben wir am wenigsten wissen.
14 von Shakespeares 36 erhaltenen Theaterstücken sind Komödien. „Was ihr wollt“ wird neben dem „Sommernachtstraum“ am häufigsten inszeniert. Teilweise eng am überlieferten Text. Manchmal auch mit neuer Übersetzung, in diesem Fall von Marius von Mayenburg, der die Sprache Shakespeares mit der Gossensprache der Gegenwart mischt und mit vermeintlich innovativen Einfällen auch Regie führt. Doch genau daran scheitert das „Schauspiel Hannover“ trotz hervorragender Schauspieler und immensem technischen Aufwand.
Wuchtige Sessel und ein gut mit Dosenbier und anderen Alkoholika gefüllter Kühlschrank stehen auf der Bühne, die von einem schweren Vorhang begrenzt wird. Zum Tango-Rhythmus kommen Menschen auf die Bühne. Darunter Olivia, eine reiche Gräfin, auch „Madonna“ genannt, sehr einfallsreich deren so naiv-unschuldig klingende Sprachmelodie persiflierend. Und Orsino, der Herzog der Insel Illyrien, genauso, wie man sich einen Herrscher nicht vorstellt: Klein, schmierig, liebeskrank, in Mafioso-Kluft – und mit Maschinengewehr, von dem er auch sofort Gebrauch macht. Irgendwann beginnt dann auch die eigentliche Handlung, in der die junge schiffbrüchige Viola eine Hauptrolle spielt. Da sie ihren Zwillingsbruder Sebastian als ertrunken vermutet, nimmt Viola seine Rolle ein und verliert dann ihr Herz ausgerechnet an Orsino. Es beginnt ein Verwirr- und Verwechslungsspiel der Geschlechter, so wie man es von anderen Shakespeare-Komödien kennt, und an dessen Ende natürlich geheiratet wird.
Peinlich-pubertäre Wortspiele
Doch dazwischen liegen quälend lange 150 Minuten, in denen sich ein innovativer Regisseur austoben kann. Er lässt seine Schauspieler in Unterhosen auf der Bühne herumalbern und zwingt sie zu peinlich-pubertären Wortspielen, von denen „Geile Locken, gelbe Socken“ noch die kreativsten sind. Dazu immer wieder Video-Einblendungen, die vermutlich eine Insel-Atmosphäre schaffen sollen, in Wirklichkeit die Zuschauer jedoch ablenken. Und Gesangsversuche mit der Qualität „Na ja.“
Nach 90 Minuten ist endlich Pause. Ein Ehepaar überlegt: „Gehen wir oder bleiben wir?“ Sie gehen und sind bei ihrer Entscheidung nicht allein. Sie versäumen nichts: Es wird weitergeballert bis es nervt, nun meist sogar mit zwei Gewehren, unzählige Mal das „A…“- Wort geschmettert oder Dialoge eingestreut à la „Put, put, put. Wie geht’s dir, du Hühnchen?“ Dazu ständig geprügelt und reichlich gesoffen: Der Pater, der Olivia mit Sebastian vermählen soll, muss von den frisch Verheirateten gestützt werden, und die Onkel-Figuren Sir Andrew und Sir Toby, bei Shakespeare für den humoristischen Part auf den Bühnenbrettern zuständig, bedienen sich reichlich aus dem Kühlschrank.
Viel Lärm um nichts
Wirklich witzig kommt nur Feste, der Narr, daher, von Autor und Regisseur Mayenburg aus unerfindlichen Gründen mit „Idiot“ übersetzt. Optisch eine Mischung aus Hermann van Veen und Otto Waalkes. Der sagt irgendwann: „Wie man so was auf die Bühne bringt. Das glaubt mir kein Mensch.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Der Meister selbst hätte das Bühnen-Geschehen der Gäste aus Hannover kurz und bündig mit dem Titel einer seiner anderen Komödien kommentiert: „Viel Lärm um nichts.“
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