Siegen. . Markus Hering und Erika Stucky bieten mit „Und ewig jodelt der Bergdoktor“ eine spezielle Live-Lesung bei der Biennale im Apollo Theater.

Ein rotes Sofa steht auf der Bühne. Darauf liegt ganz entspannt ein Mann, völlig vertieft in einen Heftroman. Doch eine resolute Bäuerin reißt ihn aus seinen Leseträumen, vor allem durch die perkussiven Rhythmen, die sie einem Schneeschieber entlockt. Da weiß auch der letzte im Theatersaal, dass dies ein schräg-unterhaltsamer Abend wird.

Markus Hering, der aus Holzhausen stammende Schauspieler, hat Texte aus einer Folge der Heftroman-Reihe „Der Bergdoktor“ zu einer Live-Lesung zusammengestellt. Wie in jedem der Hefte geht es um Liebe, Verrat, Gemeinheiten und Verwicklungen in einem kleinen Ort im Gebirge. Bergdoktor Dr. Martin Burger bekommt in seiner Praxis vieles mit, beobachtet, berät und behandelt.

Dialekte und Stimmfärbungen

So erfährt er vom Forstgehilfen Veit, der seine Verlobte schlägt, Kilian Rieder, dem unglücklichen Fuhrmann, der attraktiven Sanna und ihrer Schwester Lena, die schwanger werden möchte, um von ihrer verhärmten Schwiegermutter akzeptiert zu werden. Außerdem geht es um zu vererbende Bauernhöfe, bösartige Intrigen und Eifersüchteleien, die Beziehungen zerstören. Doch, wie könnte es anders sein: Sanna und Kilian finden sich, wenn auch über abstruse Umwege. Der letzte Satz, mit tränenerstickter Stimme: „Und sie wurden für immer eins.“

Markus Hering bietet viel mehr als eine Lesung: Er kriecht in die Dialekte und Stimmfärbungen der alpenländischen Protagonisten, wobei ihm und dem Publikum sicherlich seine 20 Jahre am Wiener Hoftheater und seine inzwischen auch schon fünfjährige Mitgliedschaft am Residenztheater München zu Gute kommen.

Improvisierendes Klänge-Zaubern

Er bemerkt, so ganz nebenbei, wenn die Romanklischees allzu aberwitzig werden: „Eklig“ oder „Hoffentlich keine Lawine“, wenn Schnee schon wieder als Todesursache herhalten muss. Er zitiert genüsslich und wiederholend einen Satzteil aus der besonderen Bergdoktor-Prosa: „…weil sich einmal ein Kloß in ihren Hals klemmte.“ Doch die meisten seiner Kommentare geschehen ganz ohne Worte: Mit unnachahmlicher Mimik.

Markus Hering hat in Erika Stucky eine kongeniale Partnerin. Die amerikanisch-schweizerische Schauspielerin, Jazz-Sängerin und Perkussionskünstlerin, die schon mit der WDR Big-Band und anderen Ensembles auf Tour war, zeigt im Apollo Theater ihre Vielseitigkeit. Natürlich im Jodeln. Doch es ist kein schon lange totgehörtes Klischee-Jodeln des Musikanten-Stadel. Es ist eher improvisierendes Klänge-Zaubern, wie es hierzulande bisher nur von Hubert von Goisern zu hören war. Sie singt alles, was ihre Stimmbänder hergeben, imitiert zwischendurch auch einmal Vogelstimmen. Sparsame Akkorde auf der Harmonika genügen Erika Stucky, um den instrumentalen Teppich zu legen.

Cowboy-Blues kombiniert mit Jodeln

Der musikalische Höhepunkt kommt ganz zum Schluss: Ein amerikanischer Cowboy-Blues kombiniert mit Jodeln im Walliser-Deutsch. Erika Stucky zeichnet auch verantwortlich für die Film- und Bildeinspielungen in Schwarz-Weiß, die sie auf Bauernhöfen ihrer Heimat gedreht hat und die den Texten und der Musik eine zusätzliche optische Ergänzung geben.

Es wird viel gelacht im Theatersaal. Vor allem von Frauen, die die überwiegende Mehrzahl der Besucher bilden. Womit dann auch die Frage beantwortet ist, wer denn Bergdoktor-Hefte liest.

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