Siegen. . Der Kolumnist Harald Martenstein hat bei der Siegener Biennale im Zelt vor dem Apollo-Theater über die „deutsche Identität“ gesprochen.

Warum gehen Deutsche nackt in die Sauna? Werden Zwillinge bald nur noch Gezwillte genannt, wenn Flüchtlinge jetzt Geflüchtete heißen? Und wie kommt man mit fünf Feuerzeugen am besten durch die Sicherheitskontrolle am Flughafen? Harald Martenstein, Kolumnist bei der Zeit und dem Berliner Tagesspiegel, widmet sich diesen Fragen im Biennale-Zelt vor dem Apollo.

Kinder liefern Schreibstoff

„Bevor ich mit einem Text anfange, stelle ich mir immer eine Kommode mit vielen Schubladen vor. Jede dieser Schubladen enthält ein Thema, über das ich gerne schreibe“, sagt Martenstein. Besonders gerne öffne er die Schublade „Kinder“, denn die liefern immer genug Schreibstoff. Als Babys lassen sie ihre Eltern nicht schlafen, in der Pubertät sitzen sie nur reglos vor dem Computer und als Erwachsene rufen sie nur noch zu Weihnachten an. Manchmal wäre es praktisch, wenn man nicht nur Eizellen, sondern auch fertige Kinder einfrieren könnte, um sie aufzutauen, wenn man sie braucht, findet der Kolumnist.

Mit bedächtiger Stimme und ausdrucksstarker Mimik klagt der Autor über ein weiteres seiner Lieblingsthemen, den „körperlichen Verfall“: „Seit ich nichts mehr höre“, liest er vor, „gelte ich zum ersten Mal als ein Mensch, der gut zuhören kann.“ Gelächter im Publikum, nachvollziehendes Nicken bei dem einen oder anderen Zuschauer.

Martenstein erfindet nichts

Zum Motto der Biennale “Heimat²“ hat der Kolumnist nur einen Text parat: Für eine internationale Ausgabe der Zeit sollte er einen Aspekt der deutschen Identität beschreiben.

So erzählt er die Geschichte über einen Saunagang in Montenegro, bei dem er von den einheimischen Saunabesuchern mit einer „Mischung aus Abscheu, Ekel und Verachtung“ angesehen wurde – denn er war der einzig Unbekleidete. „Übrigens, alles, was ich in meinen Kolumnen schreibe, ist genau so passiert. Ich erfinde nichts“, fügt er an.

Im Anschluss an die Lesung steht Martenstein Rede und Antwort in einer Gesprächsrunde. Interviewer Ralf Schnell, ehemaliger Rektor der Uni Siegen, konfrontiert den Autor mit seiner Kritik an den Grünen, die am Veranstaltungstag im Tagesspiegel erschienen ist. „Die Grünen sind nicht mehr so liberal“, sagt Martenstein. Wer gegen seine politische Gegenposition ankämpfe, setze sich nicht für freie Meinungsäußerung ein.

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