Wilgersdorf. . Familie Stötzel erleidet Schicksalsschlag: Sohn Florian sitzt nach Schlaganfall im Rollstuhl. Eine junge Hündin hilft ihm im Alltag.
- Florian Stötzel erleidet Schlaganfall während der Arbeit
- Er landet im Rollstuhl, muss rund um die Uhr gepflegt werden
- Hündin Lassie animiert zum Reden und zur Bewegung
Ganz aufgeregt wuselt Hund Lassie durch das Haus der Familie Stötzel. Sie dreht Runden durch das Erdgeschoss, holt einen Ball und wedelt fröhlich mit dem Schwanz. Die Freude über das Wiedersehen ist groß: Hundetrainerin Uschi Loth ist zu Besuch – eine wichtige Bezugsperson für das drei Jahre alte Tier. Gemeinsam mit Heidrun und Paul Stötzel bringt sie dem Hund alles bei, was für die Familie wichtig ist. Denn Lassie ist Assistenzhund-Azubi – extra angeschafft für Sohn Florian.
Der Tag, der alles verändert
Es ist ein Tag im August 2012, der das Leben von Florian Stötzel und seine Eltern für immer verändert. Der damals 26-Jährige erleidet während der Arbeit einen Schlaganfall. „Er hat noch irgendwie das Auto abgestellt und mich angerufen“, erzählt Vater Paul Stötzel. Zunächst habe er nicht verstanden, was mit seinem Sohn los war. „Er hat gelallt.“ Da habe er ihn gefragt, ob er am Vorabend lange feiern gewesen sei. Dass sein sonst so gesunder Sohn gerade einen Schlaganfall haben könnte – damals unvorstellbar.
Das erste Gespräch dauert nicht lange. Erst bei einem zweiten Anruf ahnt Paul Stötzel, wie ernst die Lage ist und handelt sofort. Florian fällt es zunehmend schwerer sich zu verständigen. Paul Stötzel fragt nach dem Standort seines Sohnes. „Durch Wortfetzen im letzten Satz habe ich ungefähr gewusst, wo er ist.“ Dann muss es schnell gehen. Der Vater sucht die Gegend ab und findet Florian schließlich.
Der Kampf zurück ins Leben
Es folgt eine lange Leidensgeschichte. Im Krankenhaus hat der junge Mann einen zweiten Anfall und kommt in eine Spezialklinik. Es folgen Reha-Maßnahmen und eine Infektion mit Krankenhaus-Keimen. Zunächst ist der junge Mann kaum ansprechbar, doch seine Eltern glauben an ihn. Er macht kleine Fortschritte.
Dann der Tiefpunkt. Paul Stötzel erzählt von einem Schlüsselerlebnis mit dem damaligen Stationsarzt einer Frühreha-Einrichtung: „Er hat gesagt ,Ja, was soll ich Ihnen sagen – da kommt nichts mehr’.“ Von „Festplatte gelöscht“ soll die Rede gewesen sein. „Das war so niederschmetternd. Der soll sich Florian heute mal ansehen“, sagt Paul Stötzel. Der Arzt hatte Unrecht.
Eine Idee gibt Hoffnung
In der Reha kam dann die Idee auf, Florians Reaktion auf einen Hund zu testen. „Wir hatten früher schon einen“, erzählt die Mutter. „Es war ihm nicht geheuer, aber er stand auch unter starker Medikation“, erinnert sich Paul Stötzel an die Zusammenführung mit einem Therapiehund. „Später in der Reha in Köln hat Florian immer Lassie gerufen“, sagt Heidrun Stötzel. Er beherrscht zu diesem Zeitpunkt nur wenige Worte. „Florian war Schornsteinfeger und sein Chef sagte immer Lassie zu allen Hunden. Das hat er irgendwann übernommen.“
Es scheint, als würde Florian sich an gute Zeiten mit seinem Vierbeiner erinnern. „Eine Ergotherapeutin hat gesagt, ein Hund wäre gut für ihn“, so Heidrun Stötzel. Die Idee ist geboren: Einen Hund als eine Art tierische Bezugsperson anschaffen.
Tier bringt Freude zurück
Da kommt Lassie ins Spiel. Der Retriever kommt im Welpenalter zur Familie – finanziert durch die Hilfe des Wilgersdorfer Oldieclubs. „Lassie ist was fürs Herz. Mit ihr kam neues Leben ins Haus und der Fokus lag nicht mehr nur auf der Krankheit“, sagt Heidrun Stötzel sichtlich berührt. Auch ihr und ihrem Mann hilft der Hund durch die harte Zeit. Die beiden kümmern sich rund um die Uhr um ihren Sohn.
Die Ausbildung gestaltet sich nicht einfach, denn auch Florian wird eingebunden und muss Befehle erst lernen. Erst wurde das Grundgehorsam trainiert, dann spezifische Übungen wie Gegenstände aufzuheben und anzureichen oder ruhig neben dem Rollstuhl zu laufen. Bald steht die Prüfung zum Begleithund an, danach soll für die Prüfung zum Assistenzhund geübt werden. Doch die wichtigste Aufgabe des Hundes ist, Florian Stötzel im Alltag zu unterstützen. „Am Anfang haben wir Florian Leberwurst in die verkrampfte Hand gestrichen und Lassie hat sie abgeleckt“, sagt die Trainerin Uschi Loth. Dadurch habe Florian die Hand geöffnet – kleine Tricks mit großer Wirkung.
Mann entwickelt sich positiv
Der 31-Jährige wirkt so als verstünde er jedes Wort, nur das Antworten fällt ihm schwer. Lassie muntert ihn auf. „Manchmal guckt Florian Lassie einfach nur an und muss lachen. Die beiden gehören einfach zusammen“, sagt Paul Stötzel. „Da wo Florian ist, ist auch Lassie. Sie ist immer bei ihm“, sagt die Mutter.
Das Tier animiert den Mann aber auch zum Reden (Befehle aussprechen) und Bewegen (Gassi gehen). „Ich sage ihm: Florian sag mal ,Platz’ zu Lassie. Wenn sie das dann auch macht, ist er richtig stolz“, so Heidrun Stötzel. „Aber es ist schwierig für ihn, sich gleichzeitig auch auf das Rollstuhl-Fahren zu konzentrieren.“ Er brauche noch mehr Sicherheit, mache aber tolle Fortschritte.
Das Ziel ist, dass Florian und Lassie eines Tages alleine unterwegs sein können. „Aber da kommen in letzter Zeit immer mehr Worte... das hätten wir nie gedacht“, sagt Paul Stötzel.
>>>>INFO: Sicherer Anker im Alltag
Florian Stötzel ist großer Schalke 04-Fan. Deshalb bekommt Hund Lassie vielleicht sogar ein Halsband mit Vereinslogo. Lassies Assistenzhund-Azubi-Kenndecke ist ebenfalls blau. Das Tier begleitet den 31-Jährigen immer und ist sein sicherer Anker im Alltag.
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