Siegen. . Die Malteser bieten im Pfarrheim St. Marien Sprechstunden für Menschen ohne Krankenversicherung an. Bedarf besteht aus einigen Gründen.
Manchmal kommt niemand. Manchmal warten aber schon Patienten vor der Tür, bevor die Sprechstunde für Menschen ohne Krankenversicherung im Pfarrheim der katholischen St. Mariengemeinde beginnt. Die Stadtgliederung Siegen des Malteser Hilfsdienstes macht das Angebot seit September jeden Donnerstag von 18 bis 20 Uhr. Gestern weihte Erzbischof Hans-Josef Becker aus Paderborn den Dienst.
„Wir hören immer wieder: ‘Jeder Mensch ist krankenversichert“, sagt Reinhard Biehl, Kreisbeauftragter der Malteser. Seine Antwort: „Beileibe nicht!“ 80 000 Personen in Deutschland seien Schätzungen zufolge nicht abgesichert, für die Region geht Biehl von 300 bis 350 aus – denn über die Dunkelziffer lässt sich nur mutmaßen.
Nicht nur Ausländer sind betroffen
Auch wenn das Programm „Malteser Migranten Medizin“ (MMM) heißt, seien nicht nur Menschen mit Zuwanderungsgeschichte betroffen. Das Problem können zum Beispiel auch ehemals Selbstständige haben, die nach einer Insolvenz Beiträge nicht mehr zahlen können, oder Bürger, die aus irgendwelchen Gründen durchs Raster rutschen.
Siegen ist einer von deutschlandweit 18 MMM-Standorten, der erste im Erzbistum Paderborn. Hätten sich andernorts die Initiativen angesichts der Erkenntnis gebildet, wie viele Leute betroffen sind, sei es „hier umgekehrt“ gewesen, berichtet Biehl. Einige Ärzte und Pflegekräfte hätten gesagt, dass sie sich ehrenamtlich engagieren wollen – und die Malteser wussten von dem Konzept. Sechs Ärztinnen und Ärzte sowie 14 Pflegekräfte gehören nun zum Team.
Anonymität bleibt gewahrt
Erzbischof Hans-Josef Becker ist Schirmherr der Aktion.
Der Besuch der Sprechstunden – donnerstags 18 bis 20 Uhr, Häutenbachweg 5 – ist ohne Termin und anonym möglich.
„Wir haben wirklich bei Null angefangen“, erläutert Dr. Felizitas Hoferichter aus Weidenau. „Im Grunde mussten wir die komplette Infrastruktur einer kleinen Praxis aufbauen.“ Die ist nun im Untergeschoss des Pfarrheims. Es gibt einen Behandlungsraum mit Untersuchungsliege, Ausstattung, sogar einem Ultraschallgerät – alles ermöglicht durch Spenden.
Viele Patienten sind als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen, andere etwa, um die Familie zu besuchen. Manche halten sich vielleicht auch nicht legal im Land – oder zumindest in der Region – auf. Für das MMM-Team ändert das aber nichts daran, dass sie im Krankheitsfall oder bei Schwangerschaft Hilfe brauchen.
Aufwand und Netzwerkarbeit
Dabei sei das Drumherum „sehr mühsam und zeitaufwendig“, sagt Hoferichter. „Den Großteil unserer Arbeit macht nicht das Medizinische aus“. Es gelte zum Beispiel, Untersuchungen bei Fachärzten zu organisieren, ebenso Röntgentermine oder Laborleistungen. „In einem normalen Praxisalltag läuft das alles. Aber hier mussten wir erst alles aufbauen.“
Um das Angebot bekannter zu machen, nutzen die Malteser vor allem das Internet. Und sie hoffen auf Multiplikatoren, die Betroffene darauf aufmerksam machen. Erzbischof Becker verweist auf die Wendung „einer trage des anderen Last“ aus dem Galater-Brief. „In einem mehr oder weniger perfekten Sozialsystem ist die unmittelbare Aufmerksamkeit für die Last des anderen nicht unbedingt selbstverständlich“, so der Erzbischof. Gerade deshalb sei es wichtig, bewusst hinzusehen.
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