Siegen. . Das Siegener Stadtbad könnte jederzeit geschlossen werden – nicht aus statischen Gründen. Sondern weil die Technik veraltet ist. Ein Ortstermin.
- Flickwerk am Siegener Stadtbad: Technik aus 60er Jahren ist veraltet
- Chloridkorrosion macht vor allem Beckenumlauf instabil; Streben stützen ab
- Wenn Wasseraufbereitung ausfällt, darf Bad nicht mehr betrieben werden
Löhrtorbad und Löhrtorparkhaus stehen einträglich nebeneinander und rosten vor sich hin. Das Parkhaus wird gerade auf Vordermann gebracht, das Hallenbad muss noch durchhalten: Bis der Neubau in Weidenau fertiggestellt ist. Jederzeit sei es möglich, dass eine Schließung aufgrund von Gefahr im Verzug erforderlich werde, heißt es von der Verwaltung.
Ohne Reparaturen wird es am Löhrtor bis zum Ende der Bauzeit in Weidenau jedenfalls nicht gehen, davon geht die städtische Gebäudewirtschaft aus. 55.000 Euro für Wartung, 37.500 Euro für Brandschutz steckt die Stadt jährlich in das Bad. Aber was ist denn eigentlich kaputt?
Die gute Nachricht: Niemand muss fürchten, dass das Bad zusammenstürzt. Michael Tröps von der technischen Gebäudewirtschaft und Schwimmmeister Dirk Räwel führen hinunter in die Katakomben, durch den früheren Saunabereich, in dem seit Jahren niemand mehr schwitzt. Trotzdem typische Hallenbad-Luft: dschungel-schwül mit chemischem Oberton. Hier ruht das meterhohe Becken auf Betonsockeln.
Chloridkorrosion löst den Stahl auf
Die nicht das Problem sind. „Es gibt ein paar Undichtigkeiten“, sagt Tröps, aber die gibt es in jedem Bad. Das Problem liegt daneben: der Beckenumlauf. Genauer: Dessen Stahlbewehrung. Die rostet. Und zwar so kräftig, dass sie an einigen Stellen schon so gut wie nicht mehr vorhanden ist. „Wie Blätterteig“, sagt Tröps, „man kann das zum Teil mit den Händen zerreiben.“ Sehen kann man das auch: Rostfarbener Beton, aber nichts, was noch rosten könnte. Schuld ist die Chloridkorrosion. Rostet Metall an der Luft, vergrößert es sein Volumen. Bei Chlorid – das im Hallenbad allgegenwärtige Chlor, das über Luft und Beckenwasser eindringt, steckt schon im Namen – löst sich das Material auf. Und weil es von Beton umgeben ist, sieht man das nicht. „Wir können in den Stahlbeton nicht reingucken“, sagt Tröps.
Auch das ist kein Problem für die Statik. Niemand, der oben um das Becken läuft, muss befürchten, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Die Stahlarmierung nimmt zwar die Zugkräfte nicht mehr auf und der Beton bröselt – aber meterhohe stählerne Schwerlaststützen stemmen sich zu Dutzenden gegen den Beckenumlauf. Nur so lasse sich der Zug ausgleichen, erklärt Tröps. Aber wie gesagt: Gefahr besteht nicht. „Die Statiker haben das so gerechnet, als wäre die eigentliche Stahlbewehrung nicht mehr da.“ Kein Dauerzustand, aber eine Weile wird es noch gehen. „Das statische Problem haben wir im Griff“, sagt Tröps.
Anlage so alt wie das Bad selbst
Der Grund, warum das Löhrtorbad jederzeit von Schließung bedroht ist, steht hinten in der Ecke, unter dem Nichtschwimmerbereich: Die Wasseraufbereitungsanlage. „Die kann jederzeit ausfallen“, sagt Tröps. Die Kesselwände sind dünn, Korrosionsspuren nicht zu übersehen. „Wenn die Aufbereitung versagt, können wir das Bad nicht mehr betreiben.“
Das Schwallwasser, das aus dem Becken herausschwappt, wird hier gesammelt, erklärt Schwimmmeister Dirk Räwel. Kies-, Sand- und Aktivkohleschichten filtern es, dann kommt es zurück ins Becken. Die Anlage ist so alt wie das Bad selbst, und wenn das Bad nicht sowieso bald geschlossen werden würde, müsste die Anlage repariert werden. Aber in ein Bad, das nicht mehr lange in Betrieb sein wird, Hunderttausende investieren...?!
Und es gibt noch mehr. Die Holzfenster, ebenfalls seit der Eröffnung nicht ausgetauscht, faulen. Jedes Jahr wird das Dach geflickt. Die Türen der Umkleidekabinen lassen sich nicht mehr richtig schließen. Ein Hallenbad ist eine komplexe technische Angelegenheit, da kann überall etwas kaputtgehen und hier geht es um Technik aus den 60ern. Damals waren es zwei Zentimeter Beton über der Stahlbewehrung, heute nimmt man fünf bis sechs – weil Metall schneller rostet, wenn es näher an der Oberfläche ist. Feuchte Chlorluft eben. Was muss noch gemacht werden? „Alles eigentlich“, sagt Tröps. Schäden treten immer wieder auf.
Mitarbeiter flicken, wo sie können
Mitarbeiter und Gebäudewirtschaft reparieren, was zu reparieren ist, tauschen defekte Fliesen aus, wenn Unfallgefahr an scharfen Kanten besteht; ziehen Verblendungen in die Geländer ein, durch die Kinder stürzen könnten. Zu den Aufwendungen für akute Sicherheitsmängel kommen laufende Kosten für Brandschutz. Baustatiker, Gutachter, Fachingenieure müssen bezahlt werden – das kostet alles Geld. Die Mitarbeiter reparieren, flicken, bessern aus, können das aber immer nur insoweit leisten, dass es erstmal wieder hält. Flickwerk. „Wir haben echt Handlungsbedarf“, sagt Tröps.
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