Siegen. . 10 Jahre Krönchencenter: Die Geschichte des Kaufhauses beginnt Ende des 19. Jahrhunderts. Und die zeigt das Stadtarchiv in einer Ausstellung

  • 1899 eröffnen Plaut und Daniel erstes Warenhaus am Standort Markt
  • Leonhard Tietz AG übernimmt 1927, das Kaufhaus wird erste Adresse
  • Kaufhof übernimmt in der Nazizeit, Niedergang in den 1990er Jahren

Bis weit in die 1950er Jahre ging der Siegener zu Tietz, wenn er einkaufen wollte. Das gleichnamige Kaufhaus gab es nur fünf Jahre lang, von 1928 bis 1933. Aber das Konzept des modernen Warenhauses, in dem es alles zu kaufen gibt, hatte sich eingebrannt ins kollektive Bewusstsein. Und wie es mitunter so ist, kam die Innovation mit Verzögerung ins Siegerland.

Die Tietz-Idee

„Tietz war etwas Besonderes.“ Sagt Ludwig Burwitz, Leiter des Siegener Stadtarchivs, und meint die revolutionäre Idee des Kaufmanns aus Stralsund: Festpreise und Bargeld. Vorher führte ein Warenhaus Weißwaren – Laken, Tischdecken, Wäsche –, es war gang und gäbe, dass Kunden anschreiben ließen und über den Preis verhandelten.

Tietz übernahm die Kaufhaus-Idee aus England, verschaffte sich schnell einen Wettbewerbsvorteil: Weil er Produzenten bar bezahlte, konnte er Preise diktieren – und an Kunden weitergeben. Tietz-Filialen mit den charakteristischen Galerien rund um einen tageslichtdurchfluteten Innenhof und feinster Ausstattung – der Kunde ist König – schossen im ganzen Land aus dem Boden. Tietz und sein Bruder teilten sich Deutschland auf: Leonhard, später sein Sohn, übernahmen den Westen, Hermann den Osten (Hertie – Hermann Tietz).

Die Geschichte

1899 eröffnen die Geschäftsleute Plaut und Daniel in einem der Häuser entlang der Straße „Markt“ ein Warenhaus eröffnet. Nach und nach kaufen sie die Häuserzeile, schaffen Querverbindungen zwischen den Ladenlokalen im Erdgeschoss.

1914 haben Plaut und Daniel mit über 500 Quadratmetern die größte Verkaufsfläche Siegens, sind die ersten mit elektrisch beleuchteten Schaufenstern. Sie wollen wachsen.

1920 werden die Häuser abgerissen. Über dem Rohbau gehen Plaut und Daniel 1927 pleite. Tietz kauft das halbfertige Bauwerk, „der hatte schon mit den Hufen gescharrt“, sagt Burwitz; der Kaufmann wollte auch in Siegen Fuß fassen. Der Rohbau wird umgestaltet – der Lichthof war im ursprünglichen Entwurf nicht vorgesehen.

1928, bei der Eröffnung stapeln sich die Kauflustigen nur so in und vor dem Warenhaus – Tietz hatte sich einen Ruf erworben, die Siegener waren vorher bis nach Köln gefahren, nur um zu Tietz zu gehen. Das Siegener Kaufhaus ist das erste der Stadt mit „Erfrischungsraum“, einem Restaurant – und das erste Gebäude, das nachts beleuchtet wird. Und wie. Der damalige Kulturausschuss fordert Tietz auf, das Licht abzustellen: Es sei untypisch und halte die Bürger vom Schlafen ab.

1933 kommen die Nazis an die Macht. Sie lehnen die Warenhaus-Idee ab, wollen im Mittelstand Stimmen fangen. Um der Enteignung zuvorzukommen, löst sich Tietz quasi selbst auf; holt „arische Vertrauensleute“ in den Vorstand der Tietz AG, die dann in der „Westdeutschen Kaufhof AG“ aufgeht. Jüdische Mitarbeiter werden entlassen. „Vormals Leonhard Tietz“ steht auf den Plakaten zur Neueröffnung. Der Name zieht noch.

1944 wird das Gebäude beim Luftangriff zerstört. Nur die Fassade bleibt stehen – so massiv ist sie gebaut.

1945 werden im August auf 70 m2 wieder Waren angeboten. Die Schaufenster: Löcher in vernagelten Fenstern.

1952 liegt die Verkaufsfläche mit knapp 3000 m2 auf Vorkriegs-Niveau. 1956 kommt die erste Siegerländer Rolltreppe (die fünf Kölner Tietz-Filialen haben seit 1902 welche), im Dachgeschoss, heute das Archiv, sind Verwaltung und Lager. 500 Menschen arbeiten im Kaufhof. Der neue Erweiterungsbau (1956) soll der alten Fassade angeglichen werden. Es waren halt die 50er...

1992 macht der Kaufhof zu, Kerber übernimmt, investiert zehn Millionen D-Mark, aber die Siegener gehen nicht mehr in die Oberstadt. Erst recht nicht, als 1996 die City-Galerie eröffnet. Das Gebäude wird zum Symbol der Verödung. Pläne, ein Hotel oder Wellnesscenter zu eröffnen, scheitern; schließlich kauft die Stadt 1999 das Gebäude. Plan: Ein „Kulturkaufhaus“.

2017: Das mit der Kultur hat geklappt.

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