Dahlbruch. . Flüchtlinge sind anerkannt, aber haben Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche. Die Zuständigkeiten haben sich geändert.
- Vierköpfige Familie erwartet Nachwuchs in wenigen Wochen
- Syrer finden keine Wohnung und sollen das Haus ErnA bald verlassen
- Vor der Schwangerschaft hatte die Familie bereits zwei Unterkünfte abgelehnt
Noorjan Kamal Shukur steht zwischen weißen Metallbetten. Ihre Augen sind auf den Boden gerichtet. Es ist eng: vier Schlafplätze auf wenigen Quadratmetern, Kisten stapeln sich in den Ecken. In den kleinen Schränken ist kaum Platz für Kleidung oder Alltagsgegenstände. Die 32-Jährige hält sich den Bauch, er ist groß und rund. Bald wird sie ihr drittes Kind bekommen. Sie ist bereits in der 35. Schwangerschaftswoche. Ob es ein Junge oder Mädchen wird, weiß sie nicht.
Aber eines ist sicher: Wenn sich nicht schnell etwas an ihrer Situation ändert, wird ihr Baby hier leben – im Dahlbrucher Haus ErnA, einer Notunterkunft. Denn Noorjan, ihr Mann Junad Omar Amin (40) und die Kinder Omar (7) und Mohammad (9) sind Flüchtlinge. Vor rund einem Jahr flohen sie aus Syrien nach Deutschland.
Geänderte Zuständigkeiten
Seit Mitte Dezember 2016 sind die vier anerkannt und fallen damit aus dem Zuständigkeitsbereich der Stadt. Deshalb müssen sie Haus ErnA verlassen – denn die Stadt muss diese Zimmer für neue, noch nicht anerkannte Flüchtlinge freihalten. Nun ist die Familie dem Jobcenter unterstellt und die Stadt muss keinen Wohnraum mehr zur Verfügung stellen oder Hilfe bei der Suche leisten. Die Zuständigkeiten haben sich geändert. Doch eine Bleibe findet die Familie selbstständig nicht. Sie haben Residenzpflicht, was bedeutet, dass sie in Hilchenbach bleiben müssen und die Auswahl eingeschränkt ist. Bis sich eine Wohnung findet, leben sie also weiter zu viert (bald fünft) auf rund 20 Quadratmetern.
Junad Omar Amin ist aufgebracht und spricht laut auf Arabisch. „Wir sind am Verrücktwerden! Wo sollen wir hin? Keiner will uns“, sagt er. Ehrenamtler Mongi Zoghlami übersetzt. Er besucht die Familie regelmäßig und unterstützt sie gemeinsam mit den Ehrenamtlern Karl-Heinz Jungbluth und Katrin Fey bei der Suche nach einer Bleibe. Doch das gestaltet sich bisher schwierig.
„Wir nehmen einen Wandel in der Bevölkerung wahr. Viele wollen nicht an Flüchtlinge vermieten“, so Jungbluth. Dabei sei die monatliche Miete durch das Jobcenter sicher. „Wie sollen sie sich auf dem freien Wohnungsmarkt behaupten?“ Der Mann ist Analphabet und besucht eine Schule, die Frau spricht wenig Deutsch. Sprachbarriere und Zentrumsnähe, da die Familie nur zu Fuß unterwegs ist, sind ein Problem. Die Kinder besuchen eine Schule in Müsen. Dennoch seien Vorurteile einiger Vermieter unbegründet, so Jungbluth. „Sie werden ja weiter von uns betreut, und auch den Schriftverkehr regeln wir.“
Fließendes Wasser fehlt
Die Kinder der Familie sitzen derweil auf einem gespendeten Sofa, es bildet den Mittelpunkt im Wohnzimmer. Auf dem Boden steht eine rote Kiste. Sie ist gefüllt mit Flaschen. Vater Junad zeigt darauf und erklärt: Fließendes Wasser gibt es in der kleinen Wohnung nicht. Es muss in der Gemeinschaftsküche im Erdgeschoss in Flaschen gefüllt und nach oben getragen werden. Auch die Toiletten befinden sich auf einer anderen Etage. „Das ist kein haltbarer Zustand für eine Familie“, sagt Karl-Heinz Jungbluth. Als ehemaliger Mitarbeiter des Jugendamts müsse er beide Augen zudrücken.
Zeitdruck bei der Suche
Bereits bevor Noorjan schwanger war und die Familie noch keine Anerkennung hatte, hat sie zwei Wohnungen abgelehnt, berichten die ehrenamtlichen Helfer. „Ihnen sind Wohnungen angeboten worden, die aus deren subjektiver Sicht nicht so günstig von der Lage waren“, so Jungbluth. Nun werde es langsam eng. „Ich glaube, sie überblicken die Tragweite dieser Entscheidung manchmal nicht“, so Katrin Fey. Bald bringt Noorjan ihr Kind auf die Welt. Bis dahin muss sich dringend etwas ändern.
>>>> INFO: Kontakt zu Ehrenamtlern
Wer eine Wohnung an die bald fünfköpfige Familie vermieten möchte, wendet sich an Mongi Zoghlami,mongizoghlami@web.de, oder Karl-Heinz Jungbluth, 0160/6470442.
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