Kreuztal. . Gesundheitsministerin Barbara Steffens diskutiert mit Experten in Kreuztal über die Versorgung im ländlichen Raum.

NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens hat sich in der Weißen Villa mit fünf regionalen Vertretern zusammengesetzt, um über das Thema „Zukunft der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum“ zu sprechen.

Das durchaus interessante Ergebnis am Donnerstag: Am Ende waren sich alle einig, dass es trotz Problemen immer noch mehr Chancen als Schwierigkeiten gibt. Zustimmung und kräftigen Applaus gab es für Prof. Veit Braun, Chefarzt der Neurochirurgie der Diakoniekliniken, der eine Rückkehr zu „alten Werten“ forderte: Der größte Fehler der vergangenen Jahre sei es gewesen, „aus einer sozialgesellschaftlichen Aufgabe ein Business zu machen“. Es gehe nur noch ums Geld, das müsse endlich rückgängig gemacht werden. Wenn bei ihm ein Patient noch nicht so weit sei, bleibe der in der Klinik, trotz möglicher Verlustrechnung.

Die Diskussionsrunde

Eingeladen hatte der Kreisverband der Grünen, Moderator Prof. Holger Burckhart, Rektor der Siegener Uni, ließ zunächst die Ministerin reden, um dann die Diskussion zu eröffnen. In der Runde saßen neben Braun Dr. Michael Klock (Kreisärzteschaft Siegerland), Tobias Quast (Pflegedienstleitung St. Martinuskrankenhaus (Olpe), Dietmar Müller (AOK NordWest) und Guido Fuhrmann (Geschäftsführer Haus Abendfrieden Hilchenbach).

Die Themen

Neben Förderprogrammen für den ländlichen Raum – vor allem, um junge Ärzte und Fachkräfte zu binden – sprach sich Steffens vor allem für eine verstärkte Digitalisierung aus: Vernetzungen kleinerer Krankenhäuser mit Uni-Kliniken, von Pflegeeinrichungen mit Ärzten, brächten Kompetenz schnell zu Patienten und ersparten häufig den oft kritisierten vorschnellen Gang zum Arzt oder die zu eilige Überweisung ins Krankenhaus.

Notaufnahmen: „Die sind ab Freitag, 16 Uhr, überfüllt“, so die Kritik aus der Runde, dazu kämen Probleme mit dem Notdienst, sagt Anke Hoppe-Hoffmann aus dem Publikum: Wenn der nicht zu erreichen oder weit entfernt sei, suchten die Menschen eben die nähergelegenen Krankenhäuser auf. Hier müsse etwas geschehen, stimmte Ministerin Steffens zu. Sie machte sich für Lotsenstellen stark, die Betroffenen weiterhelfen und sie vermitteln können. AOK-Vertreter Dietmar Müller setzte auf Netzwerke und Ärzte-Kooperationen, klagte zugleich über die unsinnige Abschaffung der Polykliniken nach der Wiedervereinigung. Solche Kombi-Lösungen seien gerade auf dem Land sinnvoll.

Barbara Steffens
Barbara Steffens © Kunz

Getrennte Ärzteschaft: Die Gesundheitsministerin kritisierte die nach wie vor bestehende Planungstrennung zwischen niedergelassenen und stationären Ärzten. Die Sektoren müssten endlich aufgehoben werden, damit zum Beispiel auch gesetzlich versicherten Patienten radiologische Untersuchungen in Krankenhäusern zur Verfügung stünden, die bislang nur solchen offenständen, die privat versichert seien. Leider seien vor allem auch die Kassen bislang dagegen, solche Grenzen zu überwinden, sagte die Politikerin in Richtung Müller.

Pflege: Tobias Quast und Guido Fuhrmann setzten sich für eine stärkere Anerkennung des Pflegebereichs ein, der finanziell jetzt mehr oder weniger in die vorhandenen Pauschalbeträge „eingepreist“ sei und auch sonst immer noch stiefmütterlich behandelt werde. Fuhrmann wehrte sich gegen den gelegentlichen Vorwurf, es gebe zu wenige Pflegekräfte. Es sei schon sehr viel geholfen, wenn die vorhandenen Mitarbeiter nicht 30 bis 50 Prozent ihrer Arbeitszeit mit immer stärker werdenden bürokratischen Aufgaben verbrächten, statt tatsächlich den Menschen helfen zu können.

Beruf und Freizeit: Während die Hausärzte klassischer Prägung oft „80 bis 100 Stunden in der Woche arbeiteten“, wie auch ein anwesender Mediziner bestätigte, wollten die jungen einfach nicht mehr so viel arbeiten, „vor allem die jungen Frauen“, stellte Dr. Michael Klock für die Kreisärzteschaft fest. Die seien gut ausgebildet, wollten aber nicht die Verantwortung für eine Praxis übernehmen. Eine gute „Life-Work-Balance“ sei keine Frage des Geschlechts, „das wollen auch die jungen Männer“, gab Barbara Steffens zurück und wollte diese Neuausrichtung auch nicht so negativ sehen.

Das Fazit

Letztlich gebe es viele Bausteine, die nur alle zusammen eine vernünftige Zukunft ermöglichten. „Es ist genug Geld im System, es muss nur sinnvoll eingesetzt werden“, fand Dietmar Müller und stieß nicht auf Widerspruch.

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