Siegen. Spinnen, Schlangen, Schleim – ekeln kann man sich vor allem. Ein Emotionsforscher aus Siegen erklärt, warum das gut so ist.
- Dschungelcamp gestartet – Millionen ekeln sich vor dem Fernseher mit
- Psychologe aus Siegen hat Ekel erforscht
- Tipps, wie man mit dem Widerwillen umzugehen lernt
Millionen Menschen ekeln sich derzeit mit, wenn vermeintliche Fernsehsternchen im australischen Dschungel Kakerlaken verspeisen und Schleimduschen nehmen. Warum eigentlich? Tim Klucken, Professor für Klinische Psychologie, ist Experte für Emotionsforschung – und hat sich auch mit dem Ekel wissenschaftlich befasst.
Wovor ekeln Sie sich?
Professor Tim Klucken: Eigentlich vor nichts – vermutlich forsche ich auch deshalb über das Thema. Verdorbene Milch und den Geruch von faulen Eiern kann ich schlecht ertragen.
Was ist denn Ekel?
Klucken: Ekel ist eine Basisemotion wie Freude, Trauer, Ärger, Furcht und Überraschung. Zeigt man Bildern von Menschen herum, die diese Emotionen spiegeln, dann werden sie auf der ganzen Welt von Menschen aller Kulturen erkannt. Andere Emotionen wie Stolz werden nicht so gut erkannt. Zudem zeigen schon Kleinstkinder die Basisemotionen. Andere Gefühle entwickeln sie erst später – etwa Scham.
Warum ekeln wir uns?
Klucken: Jede dieser Basisemotionen ist nützlich. Ekel besitzt eine Schutzfunktion, damit wir nicht etwa verdorbene Lebensmittel essen.
Wovor kann man sich denn ekeln?
Klucken: Es gibt Dinge, vor denen sich fast jeder Mensch ekelt. Viele Emotionen sind aber stark kulturgelenkt. Es gibt Kulturen, in denen es üblich ist, Insekten zu essen. Es gibt Emotionen, die sind geschlechtsspezifisch gelenkt. Sehr stark ist aber auch der arbeitsbezogene Einfluss. Hautärzte zum Beispiel empfinden keinen Abscheu, wenn sie ein Ekzem sehen. Müllwerker ekeln sich nicht vor Abfällen. Mütter und Väter nicht vor den Windeln ihrer eigenen Kinder, wohl aber vor denen fremder Söhne und Töchter.
Viele Menschen ekeln sich vor alltäglich Dingen wie Pfirsichhaut oder Filz. Wie kommt das?
Klucken: Man kann sich tatsächlich vor sehr viel ekeln. Wie diese Vielfalt entsteht, ist eine noch ungeklärte Frage. Es hat vermutlich etwas mit Erfahrungen zu tun. Und wenn man sich erst einmal vor etwas geekelt hat, beginnt man es zu meiden. Diese Vermeidung führt zur Verfestigung des Ekels.
Wovor ekeln Sie sich?
Was finden Sie ekelig?
Wie lässt sich Ekel überwinden?
Klucken: Es gibt eine interessante Studie. Darin hat man drei Gruppen von Probanden einen Film einer Operation gezeigt. Die eine Gruppe sollte ihre Gefühle beim Angucken verbergen. Die zweite Gruppe bekam keine Instruktionen. Und die dritte sollte den Film möglichst sachlich betrachten und auf die technischen Details achten, die chirurgischen Instrumente zum Beispiel. Diese dritte Gruppe hatte beim Zuschauen die wenigsten Ekelgefühle. Wer sich ekelt, sollte also versuchen, die Dinge anders zu betrachten. Wer Abscheu vor Spinnen hat, könnte zum Beispiel auf die Farbe der Tiere achten oder das Muster. Aber das ist – zugegeben – nicht ganz einfach. Zudem muss man sich häufiger mit den Dingen konfrontieren, vor denen man sich ekelt.
Wird Ekel so dauerhaft abgebaut?
Klucken: Man lernt so, mit der Emotion umzugehen und sie zu regulieren. Eine vollständige Reduktion von Ekel ist nicht sinnvoll, da er wie gesagt eine Schutzfunktion bietet.
Warum aber gucken sich so viele Menschen eklige Sendungen wie das Dschungelcamp an? Warum ist Ekel so faszinierend?
Klucken: Die natürliche Reaktion wäre wegzuschauen, aber tatsächlich hat Ekel auch etwas Faszinierendes, sonst würden vermutlich nicht so viele Menschen Horrorfilme angucken. Warum das so ist, bleibt eine spannende Frage. Die Antwort kennen wir noch nicht.