Siegen. Zwei Quartette, ein großer Abend: Les Brünettes und Delta Q huldigen im Apollo-Theater musikalischen Helden – von Nena bis Beethoven.

Musikdramaturg Jan Vering nennt solche Konzerte „Abenteuerabend“. Denn beide zu diesem Apollo-Vokal-Event eingeladenen Ensembles genießen zwar bei Kennern einen hervorragenden Ruf, sind aber noch nie in unserer Region aufgetreten. Umso schöner, dass das Theater ausverkauft ist.

Vier Damen

„Les Brünettes“ ist wahrscheinlich die einzige Gesangs-Formation, deren Name sich aus der Haarfarbe der vier Sängerinnen herleitet. Diese entstammen musikalischen Familien. So ist die Tante der einen Jule Neigel, der Opa der anderen die Big-Band-Legende Peter Herbolzheimer. Kennengelernt haben sich die vier beim Jazzgesang-Studium in Mannheim. Ihr Programm betiteln sie „A woman thing“. Die Musik starker Frauen der Pop- und Jazzgeschichte: „Wir singen Titel von unseren musikalischen Heldinnen.“ Da reiht sich Aretha Franklins „I say a little prayer“ nahtlos an „99 Luftballons“ von Nena an. Doch Les Brünettes covern nicht. Sie arrangieren neu und drücken ihren Vorbildern ihren Stempel auf. Dabei lassen sie manchmal ein virtuoses Durcheinander von Melodiebögen sich in wunderbare Harmonien auflösen.

Und sie haben Humor. Wenn sie etwa ein Lied über motorradfahrende Frauen darstellend untermalen. Liedschöpferin Edith Piaf hätte genauso ihre Freude daran gehabt wie Billie Holiday bei der Interpretation eines ihrer Blues. Was Edith und Billie verbindet: Ihr gemeinsames Geburtsjahr und ein Leben geprägt von Alkohol, Drogen und persönlichem Unglück.

Zum musikalischen Höhepunkt ihres Programms wird Joni Mitchells „A case of you“, vor allem, weil die Interpretin eine verblüffende Stimmähnlichkeit mit ihrem Vorbild hat. In der Tat: Die musikalischen Helden des Quartetts sind nicht die makel- und faltenlosen Stars der Gegenwart, sondern Frauen mit Vergangenheit. Und auch Nina Simones „Sealine Woman“ ist kein locker-harmloses Liedchen sondern eine gnadenlose Kritik an den Lebensbedingungen von Frauen, die im Bauch von Kreuzfahrtschiffen schlecht bezahlte Schwerstarbeit leisten. Das präsentieren die Damen authentisch, ohne technischen Schnickschnack, stimmlich klasse und mit sympathischer Ausstrahlung.

Vier Herren

Ganz cool kommen die vier jungen Herren von „Delta Q“ aus Berlin daher. Ihr erstes musikalisches Markenzeichen: „Like Diamonds in the Sky“ von Rihanna, das sie mit allem musikalischen Bombast zelebrieren. Großes Kino. Dass sie daran Beethovens „Freude schöner Götterfunken“ anschließen, ist typisch Delta Q. Sie beginnen wie Heldentenöre, jagen diesen Ohrwurm dann aber durch alle möglichen Stilarten: Vom federnd leichten Swing über Reggae bis zur orientalischen Version, made in Istanbul. Musikalische Grenzen kennen sie nicht. Passend zum Titel ihres Programms „Wann, wenn nicht wir“. Dazu gehören auch originelle Eigenproduktionen wie das Lied über das Plusquamperfekt oder das Schicksal, auszusehen wie ein bekannter Star: „Otto“.

Ihre Eigenständigkeit entwickeln sie in Medleys. Wie sie „Yellow Submarine“ und „Blackbird“ der Beatles mit Knefs „Roten Rosen“, Heinos „Enzian“ und „Purple Rain“ von Prince miteinander verknüpfen, ist atemberaubend. So wie ihr Medley über Zahlen: Von „1000 mal berührt“ über „17 Jahr, blondes Haar“, „10 nackte Friseusen“ bis zur „Route 66“. Musik kann so überraschend und entspannend sein. Das spüren auch die Zuhörer im Apollo an diesem Festabend für A-cappella-Freunde, indem sie lange stehend applaudieren. Und dass sie als Zugabe Fernsehmelodien von Heidi oder den Bratmaxe-Song auspacken, kann auch nur „Delta Q“ einfallen.