Siegen/Olpe. Bilanz: 2016 war das Jahr mit der niedrigsten Arbeitslosenzahl seit einer Dekade. Weiterbildung bekommt größere Bedeutung. Und die Chefin geht.

  • Zwei Drittel der Arbeitslosen suchen Helfertätigkeit– darauf sind gemeldete Stellen nicht ausgerichtet
  • 12,64 Millionen Euro gibt die Siegener Agentur 2016 für Umschulungenund Teilqualifizierungen aus
  • Neuer Lehrgang soll Menschen nach längerer Zeit ohne Arbeit wieder an Strukturen heranführen

Im Schnitt waren im vergangenen Jahr 11 550 Menschen in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Olpe arbeitslos. Das ist der niedrigste Wert im Gesamtbereich der Agentur für Arbeit Siegen seit dem Jahr 2007, wie Dr. Bettina Wolf, Vorsitzende der Geschäftsführung, beim Bilanzgespräch für das Jahr 2016 darlegte. „Aber der Markt ist schwierig“, sagt Wolf. Die Anforderungen an die Behörde wandeln sich. Es gehe nicht mehr nur darum, Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf direktem Wege zusammenzuführen: „Wir entwickeln uns zu einer Agentur für mehr Qualifikation.“

Unbesetzte Stellen

Mit im Schnitt 2883 unbesetzten Stellen erreicht 2016 auch hier in der Zehn-Jahres-Betrachtung einen Spitzenwert. In 2015 waren es 2413, im von den Folgen der Finanzkrise geprägten Jahr 2007 nur 970. Das Problem ist aber eine deutliche Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage: Während fast zwei Drittel der Arbeitslosen eine Helfertätigkeit suchen, sind nur etwa ein Viertel der gemeldeten Stellen darauf ausgerichtet.

Entwicklung der Arbeitslosigkeit.jpg

Etwas mehr als ein Drittel der Arbeitslosen möchte eine Stelle als Fachkraft, Spezialist oder Experte, doch 75 Prozent der Angebote beziehen sich auf eben diese Qualifikationen. „Den Betrieben fällt es schwerer, die Fachkräfte zu finden, die sie brauchen“, erläutert Wolf. Im Schnitt hätten Unternehmen dazu im vergangenen Jahr je 82 Tage benötigt. 2007 waren es noch 34.

Weiterbildung

Die Antwort auf die Diskrepanz, so Wolf: „Dann qualifizieren wir die Menschen eben.“ 12,64 Millionen Euro hat die Siegener Agentur 2016 für Umschulungen, Teilqualifizierungen und sonstige Schritte zur beruflichen Bildung ausgegeben, 12 900 Menschen begannen innerhalb der zwölf Monate eine Maßnahme – eine Steigerung um 1750 Männer und Frauen gegenüber 2015. Im Jahr 2017 sollen die Ausgaben dafür auf fast 15,7 Millionen Euro steigen.

Es geht dabei nicht nur um die 50 Prozent der Arbeitslosen, die über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen, sondern auch um diejenigen, die das Tätigkeitsfeld wechseln oder nach längerer Pause wieder an den Job herangeführt werden. Der Trend sei überregional zu verzeichnen, sagt Wolf: „Qualifizierung und Weiterbildung werden zur vielleicht wichtigsten Aufgabe, die die Arbeitsagenturen in den kommenden Jahren haben.“

Langzeitarbeitslose

4079 Männer und Frauen wurden 2016 im Durchschnitt als „Langzeitarbeitslose“ in der Statistik geführt. Das ist die niedrigste Zahl in den vergangenen zehn Jahren. „Wir haben uns dieser Gruppe noch intensiver zugewandt“, sagt Wolf. Je länger ein Mensch aus dem Job und der Routine eines Berufsalltags heraus ist, umso schwieriger wird in vielen Fällen die Rückkehr ins Arbeitsleben.

Auch interessant

Im neuen Jahr startet deshalb ein Lehrgang, der Menschen nach längerer Zeit ohne Beschäftigung wieder an diese Strukturen heranführen soll – oder auch an die Anforderungen einer Aus- oder Weiterbildung für neue Tätigkeiten. „Die Überzeugungsarbeit ist für die Berater mitunter schwierig“, sagt Wolf über die Aufgabe, gerade Menschen im Alter von 35plus zu einer solchen Entscheidung zu bewegen. „Aber wer sich darauf einlässt, ist von Arbeitslosigkeit nicht mehr so bedroht.“

Flüchtlinge

Die Zahl der arbeitslos gemeldeten Ausländer stieg 2016 um 18,5 Prozent auf durchschnittlich 2811, bedingt durch den Zuzug von Flüchtlingen. Die überwiegende Mehrheit habe keine Berufsausbildung, die den Anforderungen des deutschen Arbeitsmarktes entspricht, „darum bieten wir jede Form von Qualifizierung an“. Dies betreffe die fachliche Seite ebenso wie soziokulturelle Gepflogenheiten. „Wir machen viele Zugeständnisse“, sagt Wolf mit Verweis auf etwa religiöse Vorstellungen. „Aber wir erklären auch, dass man sich für den eigenen Lebensunterhalt engagieren muss.

Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook.