Hilchenbach. . „EinBLICK“ heißt die neue Ausstellung im Stadtmuseum in der Wilhelmsburg. Museumsleiter Reinhard Gämlich hat dazu das Depot geöffnet.

  • EinBLICK in den sonst verborgenen Bestand des Museums in der Wilhelmsburg
  • Ausstellung zeigt Alltägliches und Skurriles aus dem Hilchenbacher Alltag
  • Vom gläsernen Waschbrett bis zum Blaubeerpflücker

Wer die Treppe ins Dachgeschoss der Wilhelmsburg heraufkommt, wird von einem würdevoll dreinblickenden Paar begrüßt: Die großformatigen Porträts zeigen den Geheimen Bergrat Johann Ernst Wilhelm Schmidt und seine Gattin Wilhelmine Marianne. Die Gemälde waren 1986 von der Müsener Unternehmerfamilie Sieper für die Heimatstube des Ortes aus Bayern zurückgekauft worden.. Jetzt lagern sie im Depot des Stadtmuseums in der Wilhelmsburg. Wenn sie nicht, wie jetzt, für zwei Monate ausgestellt werden.

„EinBLICK“ nennt Museumsleiter Reinhard Gämlich in ganz moderner Schreibweise die Schau, die rechtzeitig zum Chresdachsmärtche fertig wurde — und für die erst einmal abgestaubt werden musste. Leonie Hartmann, Studentin der Theologie und Kunstgeschichte, hat das Abenteuer in dem verborgenen Zwischengeschoss mit seinen rund 1800 dort gelagerten Exponaten gesucht: „Museen haben mich schon immer interessiert.“ In Hilchenbach bekam sie die Chance, Exponate nicht nur zu erklären, sondern auch anzufassen. Der „Einblick“ ist, zum großen Teil, ihre Auswahl.

An den Wänden

Das hängt an den Wänden: ein verrosteter Hüttenmann. Uhren – von dem schmucken Chronometer aus der guten Stube bis zur gewöhnlichen Küchenuhr. Kleiderhaken, schön gemacht mit Perlen-Mosaiken, aus denen ein Hund dem Gast entgegenlächelt. „Haararbeiten“ — aus menschlichem Haar geflochtene und dann gerahmte Artefakte. „So etwas habe ich noch nie gesehen“, staunt Leonie Hartmann, die von ihrer Mutter, die nebenan im Rathaus im Fachbereich Soziales arbeitet, auf die Wilhelmsburg aufmerksam gemacht wurde. Schließlich das Bild mit dem Blick aus den Gärten der Bruchstraße auf die Kirche, das einmal in der alten Florenburgschule am Kirchweg hing. Öl auf Holz, eine ungewöhnliche Verbindung. „Der Maler hatte wohl keine Leinwand zur Verfügung“, vermutet Leonie Hartmann.

In den Schränken

„Alles in Butter“, „Verflixt und zugenäht“, „Aus dem Nähkästchen geplaudert“. Leonie Hartmann hat die Redewendungen den Werkzeugen und Gerätschaften des täglichen Gebrauchs zugeordnet. Bügeleisen und Nadelpilze, Kaffeemühlen und Waffeleisen, davon gibt es reichlich im Depot. Auch so merkwürdige Werkzeuge wie das Waschbrett aus Glas und der aus Naturschutzgründen längst verbotenen Blaubeerpflücker („Wolwernkamm“). „Lehrer Benfer hat alles aufgehoben, was er bekommen hat“, sagt Reinhard Gämlich. Und: „Er hat ziemlich viel bekommen.“ Paul Benfer war Hauptlehrer in Allenbach. Ab 1938 hat er im Dachgeschoss der Schule das „Schul- und Heimatmuseum“ aufgebaut, dessen Fundus 1982 an das neue Museum in der Wilhelmsburg überging.

In den Vitrinen

Für die Vitrinen hat Leonie Hartmann das Schönste aus dem Depot ausgewählt. Geschirr aus Porzellan und Ton. Die Hochzeitsbluse, die Berta Sohler am 1. September 1910 trug, als sie in Ferndorf Erbst Haas heiratete. Das Taufkäppchen, das ein Baby aus Hof Stöcken getragen hat.

Tatsächlich: Eine alte Orgelpfeife aus der Hilchenbacher Kirche, 1912 dort entnommen, lagert im Depot.
Tatsächlich: Eine alte Orgelpfeife aus der Hilchenbacher Kirche, 1912 dort entnommen, lagert im Depot.

Im Depot

Hier lagert immer noch alles, was bei der Auswahl für diesen ersten „Einblick“ durchgefallen ist: das Gestell mit dem Bohrer, den ein Zahnarzt mit dem Fußpedal zum Kreisen brachte. Die Büsten von Mozart und Beethoven, die irgendein Büfett verziert haben. Kinderwagen und Arztasche. Fliegenklatsche und Ondulierscheren. Eine Wurstpresse. Büromaschinen, die direkt von den Schreibtischen aus dem Rathaus herübergeschafft wurden. Der Klopfstaubsauger von Vorwerk? Nein, widerspricht Reinhard Gämlich, der war noch für den alten, soeben entsorgten Sisalfußboden in der Wilhelmsburg gut. Die Putzfrau hat ihn hier abgestellt, damit sie ihn nie wiedersieht. Und dieses Arrangement aus Kunstblumen? „Das gehört dem Standesamt“, sagt Reinhard Gämlich und scheint etwas peinlich berührt. Wer sagt denn, dass Stadtgeschichte nicht hässlich sein darf?

>>> INFO

Bis 12. Februar montags 14 bis 19, dienstags bis freitags und sonntags 14 bis 17 (auch 1. Weihnachtstag und Neujahr), mittwochs und freitags auch 10 bis 12 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Während des Chresdachsmärtche ist die Wilhelmsburg heute, Samstag, von 14 bis 22 Uhr, und morgen, Sonntag, von 11 bis 19 Uhr geöffnet.