Siegen. Mediziner wird vom Amtsgericht Siegen zu Geldstrafe verurteilt, weil er seiner Patientin beim Akupunktieren an die Brust gefasst hat.
- Arzt wurde zu Geldstrafe verurteilt, weil er Patientin sexuell genötigt haben soll
- 86-jähriger Mediziner hatte der Frau beim Akupunktieren an die Brust gefasst
- Angeklagter bestreitet Vorwürfe und sieht Griff als notwendig für Diagnose an
Der Angeklagte, ein mittlerweile 86-jähriger Arzt, sitzt seinem 57-jährigen Opfer im Saal 9 des Amtsgerichts gegenüber. Auf einen Stock gestützt ist er gekommen, das Gehen fällt ihm schwer; auf Fragen von Amtsrichterin Nena Roeske blättert er in medizinischen Unterlagen, die er zur Erläuterung mitgebracht hat, oder blickt in Richtung seines Verteidigers. Es gibt kurze Wortwechsel zwischen den beiden, dann antwortet der Doktor lang und ausführlich.
Die 57-jährige Frau, der der Arzt im Jahr 2012 an die Brust gefasst haben soll, hat ihre Hände im Schoss zusammengefaltet. Immer wieder knetet sie ihre Finger, das Gesicht voll roter Flecken.
Hausarzt hatte Opfer zur Akupunktur geraten
Wegen chronischer Schmerzen an Wirbelsäule und Kniegelenken sollte Dr. H. sie akupunktieren. Ihr Hausarzt hatte ihr dazu geraten.
Jetzt muss sich Dr. H. wegen „sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses“ verantworten. Er wird zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 40 Euro verurteilt. Die Frau atmet auf.
„Ich habe sie nur am Ohr therapiert und nur ein einziges Mal. Dabei war sie angezogen.“
Der 86-jährige Angeklagte bleibt bis zum Prozessende bei dieser Aussage. Das Opfer und ihr als Zeuge geladener Hausarzt stellen es anders dar: Sie habe bei den Akupunktursitzungen lediglich Unterwäsche getragen. Auch widersprechen beide der Angabe des Angeklagten, dass sie sich ebenfalls wegen Schmerzen in der Brust habe behandeln lassen.
„Ich habe mich so geschämt.“
Das 57-jährige Opfer erklärt so, warum es erst am 13. Mai 2014 Anzeige erstattet hat. Auch Probleme in der Familie und den Tod eines nahestehenden Menschen führt sie als Gründe an, sie habe alles erst mit einer Psychologin aufarbeiten müssen. Anfangs hätten die zudringlichen Bemerkungen über ihre große Oberweite sie „pikiert“. Als der Arzt bei der dritten Sitzung dann auch Bemerkungen zu ihrem Intimbereich machte, war sie „geschockt“. Bei der vierten und letzten Akupunktursitzung habe er ihr schließlich lang und fest an die Brust gefasst und sie hin und her bewegt.
„Ich habe anfangs nur in die Einträge bis 2013 geguckt. Der angegebene Zeitpunkt war falsch.“
Der Zeuge, auch Hausarzt des Opfers, berichtigt seine Aussage zum Tattag. Die 57-Jährige hatte ihn zwecks Rekonstruktion um genaue Sitzungsdaten gebeten. Da sie sich bereits mehrfach bei ihm in Behandlung befand, legte er den Tattag fälschlicherweise auf eine Sitzung im Jahr 2013. Die Unstimmigkeit der Daten hatte im Juli 2015 zu einer Aussetzung des Verfahrens geführt.
„Ich habe keine Zweifel an ihrer Glaubhaftigkeit, sie hat die Geschichte immer gleich erzählt.“
Staatsanwältin Teresa Steiger bei ihrem Abschlussplädoyer über die Zeugin. Sie forderte eine Geldstrafe, da es sich bei der Tat um „sexuellen Missbrauch im eher unteren Bereich“ gehandelt habe. Verteidiger Jens Kemper beantragte Freispruch. Amtsrichterin Nena Roeske folgte Steiger, verhängte aber 20 Tagessätze weniger.