Siegen. (wp) Im Aktiven Museum Südwestfalen beleuchtete ein Bericht des Museumsleiters Klaus Dietermann gleich zwei Ereignisse, die die ehemalige jüdische Familie Stern betrafen.

Er berichtete von seinem Besuch in London, wo er als „Überraschungsgast” der 1908 in Siegen geborenen Käthe Stern zum Geburtstag gratulierte. Mit dabei waren die Schatzmeisterin des Vereins, Traute Fries, die im Auftrag von Bürgermeister Steffen Mues ein Schreiben sowie einen Bildband der Stadt überreichte.

Dietermann hatte die Jubilarin anlässlich seiner Recherchen zur jüdischen Geschichte Siegens Anfang der 90er Jahre zuerst brieflich kennen gelernt. Jahre später hatte er die rüstige Seniorin in London bereits einmal besucht. Käthe Stern hatte ihm damals Fotos und Dokumente aus ihrer Familie für das Aktive Museum überlassen. Ihre Lebensgeschichte sprach sie auf Band. Käthe Stern wurde 1914 in der jüdische Volksschule am Obergraben eingeschult.

Wegen Schülermangels musste die Schule bald schließen. Alle Schulkinder zogen mit ihrem Lehrer Simon Grünewald dann in die Stadtschule am Unteren Schloss um. Nach der Mittleren Reife am Mädchenlyzeum und Höheren Handelsschule machte sie eine Bürolehre beim Modegeschäft Plaut & Daniel. Danach arbeitet sie als Kontoristin im Kaufhaus Tietz am Markt in Siegen. Das Geschäft wurde 1935 „arisiert” und alle jüdischen Angestellten entlassen. Käthe Stern zog nach Augsburg. Zwei Jahre später kam sie nach Siegen kurz zurück. Ihre Mutter musste in diesem Jahr ihre drei behinderten Söhne in der Heil- und Pflegeanstalt Warstein unterbringen. Käthe Stern zog nach Anröchte, um ihre Großmutter zu pflegen. Von dort gelang ihr die Ausreise nach London, wohin die Augsburger Rabbinerfamilie bereits geflohen war. Ihrer Mutter und einem weiteren Bruder gelang nicht mehr die Flucht. Sie starben einem Konzentrationslager, wie auch die drei behinderten Geschwister nicht überlebten.

Käthe Stern lebte mit Verwandten in einem Londoner Haus auf engstem Raum. Die Nachrichten vom Tode ihrer Angehörigen erfuhr sie erst Jahre nach dem Krieg.

Ihr Urgroßvater Meyer Leser Stern war 1884 der Gründer der Synagogengemeinde Siegen. Er stand 30 Jahre seiner Gemeinde vor und wirkte auch in der Kommunalpolitik. In diese Zeit fiel Gründung der jüdischen Volksschule, der Kauf eines Grundstücks für den Bau der Synagoge am Obergraben und die Einrichtung eines jüdischen Friedhofs in der Hermelsbach. M.L. Stern war 1869 nach Siegen gekommen und hatte 15 Jahre lang als Pferdehändler gearbeitet. Danach gründete er mit seinem Sohn Julius ein Manufakturwarengeschäft in der Sandstr. 20. Nach dem Tod von Julius Stern wurden im Geschäftshaus die Räume vermietet. 1933 wurde das Haus von den Nationalsozialisten verwüstet und in Besitz genommen. Für die ermordeten Mitglieder der Familie Stern wurden 2007 vier Stolpersteine in der Emilienstraße verlegt, wohin die Familie nach der Vermietung des Geschäftshauses verzogen war.

Käthe Stern erlebte dann zum Schluss noch eine weitere Überraschung. Neben ihrem Geburtstagstisch sitzend, auf denen die Glückwunschschreiben aus aller Welt auslagen - auch die englische Königin hatte eine Karte mit ihrem Foto geschickt -, spielte Klaus Dietermann ein kurzes Video vor. Im Film wünschte ihr ihre langjährige Klassenkameradin und Freundin, Elsibeth Koch aus Siegen, alles Gute zum 100. Geburtstag.