Weidenau. . Kunst mit der Kamera: In der Ausstellung „Brauhausfotografie 25“ geben Kunststudenten Einblick in ihr fotografisches Schaffen.
Fotos bilden Wirklichkeit ab. Sie zeigen die Welt, wie sie ist. Die Brauhausfotografie – die Ausstellung, bei der Kunststudenten zum mittlerweile 25. Mal fotografische Arbeiten präsentieren – unterstreicht diese Qualitäten, weil sie eines deutlich macht: Wirklichkeit ist mehr als das, was das Auge oder die Kamera sehen. 21 Studenten und fünf Gastkünstler sind dabei.
Bei Johanna Kewitz scheint alles klar: Futuristische, kubische Gebäude spiegeln sich in glatten Wasseroberflächen. Die gestochen scharfe Horizontlinie aber ist die Oberkante einer Fassade, der Blick der Kamera geht nicht in die Weite, sondern an Gebäuden entlang in die Höhe. Kewitz sieht und konstruiert Landschaften, wo keine sind – zumindest nicht in der Form, wie der Betrachter es erwartet.
Raum ist ein Thema von Mandy Lucht. Sie fotografiert Fassaden, Flure, Unterführungen, in die Licht durch Fenster oder Öffnungen fällt. Während des Entwicklungsprozesses im Labor setzt sie ölgetränkte Rahmen drum herum, die den Blick in die meist sehr dunklen Bilder ziehen. Der Raum entsteht nicht nur durch Wände, sondern auch durch seine Bezüge zum ihn umgebenden Außen, das sich durch Fenster und Durchgänge in den – mutmaßlichen – Innenbereichen manifestiert.
Auf den ersten Blick hat Mirjam Weygandt das große blaue Hauptgebäude am Campus Adolf-Reichwein-Straße einfach abgebildet. Der genauere Blick verrät erst, dass es sich um eine Montage handelt. Weygandt zerlegt den Komplex in Elemente, die sie neu zusammensetzt und verschachtelt. Wer das Gebäude kennt, dem scheint vollkommen klar, was er sieht. Obwohl gerade das eben nicht zu sehen ist.
Um die Welt reist Julia Gossel in der Projektion „Pisa 2016“: Zehn Dia-Serien mit je 36 Aufnahmen. Die Bilder erinnern an Reise-Dias, nur dass Gossel an keinem der Orte war. Die Fotos hat sie aus dem Internet, die Präsentation dokumentiert einen Streifzug durch die Welt, der als rein virtuelles Erlebnis vor dem Bildschirm stattfindet.
Heutige Bildsprache wendet Christian Rosenthal in der 35-teiligen Serie „Atze“ an. Die Porträts von Freunden entsprechen der Art der Selbstdarstellung in sozialen Medien. Aufgenommen sind sie aber mit einer Kamera aus den 50er Jahren auf analogem Film. Farben, Licht, Störungen geben der modernen Bildsprache eine dominante Retro-Note, teilweise ähnlich Polaroid-Aufnahmen. Aktueller Zeitgeist wird verfremdet durch ältere Technik.
An frei schwebende Kugeln erinnern die Bilder von Yasmin Müller. Schwerelos scheinen sie sich paarweise im Raum zu halten. Faktisch fliegt nichts: Müller positioniert Murmeln auf spiegelnden Oberflächen und kippt die Bilder um 90 Grad. Sie ändert Perspektive und Anordnung durch nur kleine Mittel. Doch äußerst wirkungsvoll: Denn so wirkt plötzlich interessant, was eigentlich alltäglich ist.
Unter Kunstlicht fotografierte Nada Krimer Tischplatten in den „bunten“ Hörsälen an der Uni Siegen. Auf den Holzoberflächen in rot, grün, gelb und blau sind die Reflexionen der Deckenbeleuchtung zu erkennen. Aber sie sind keine Störfaktoren, sondern Bildelemente, da Krimer in genau diese Bereiche nachträglich stilisierte Straßenlaternen zeichnete. Da auf den Oberflächen ohnehin Schriftzüge und Zeichnungen von Generationen von Studenten zu sehen sind, fällt die Ergänzung technisch kaum auf; sie irritiert aber, weil sie mit den Lichtkegeln eine Art landschaftlicher Dimension konstruiert.
Salvatore Picone präsentiert in der Reihe „folding chairs“ Fotos von Klappstühlen. Die Bilder sind gefaltet und neu eingescannt, ein essenzieller Bestandteil der Funktionalität des Motivs auf das Trägermedium übertragen. Die Verfremdung ist teilweise massiv, hebelt aber nie die Erkennbarkeit des Objekts aus; vielmehr zeigt sie, wie klar sich aus der verfremdeten Darstellung genügend Information ableiten lässt, um vor dem inneren Auge ein genaues Bild des ursprünglichen Gegenstands zu formen.
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„Brauhausfotografie 25“ ist ab Dienstag, 22. November, 19 Uhr bis Sonntag, 27. November, zu sehen: Zum Wildgehege 25.
Gastkünstler: Christine Erhard, Katharina Jahnke, Thomas Kellner, Jürgen Königs, Judith Samen.
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