Müsen. . Gunter Demnig setzt in der Müsener Kirchstraße einen Stolperstein für Robert König. Der Blechschlosser aus Württemberg wurde von den Nazis ermordet, weil er Zwagsarbeiterinnen half.
„Ich war fünf, als er abgeholt wurde.“ Armin Setzer, der frühere Kreisbrandmeister, kann sich an Robert König nicht erinnern. Die Kirchstraße 11, mit dem Hausnamen „Saetzersch“, war die eine Hälfte des Doppelhauses. „Fuselsbach“ hieß das andere mit der Nummer 9. Helene Fuselbach heiratete Robert König, als er 1926, möglicherweise als Bergmann, aus dem württembergischen Dobel nach Müsen kam. Leni haben noch viele kennengelernt, die bis zu ihrem Tod 1977 in dem Haus wohnte, aus dem die Nazis ihren Mann am 24. Juli 1944 verschleppt haben.
Zwei Kollegen im Eichener Walzwerk
Müsen, Kirchstraße: Gunter Demnig setzt den Stolperstein für Robert König in den Bürgersteig vor einer der leer stehenden Sieper-Hallen, für die Fuselsbachs Haus 1983 abgerissen wurde. Robert König war in der SPD und im Reichsbanner, dem Veteranenverband der Demokraten, die die Republik schützen wollten. Vor Leuten wie Lothar Irle, dem Nazi-Lehrer, der zur selben Zeit am Hilchenbacher Lehrerseminar hetzte — Irle ist als Heimatforscher bis heute hoch verehrt. König kennt niemand. „Ein Mensch ist vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, sagt Bürgermeister Holger Menzel in seiner Ansprache, „die Stolpersteine sollen den Opfern ihre Identität zurückgeben, ihre Spuren an den Ort zurückverlegen, wo sie einst gelebt haben.“
Müsen, Kirche: Stadtarchivar Reinhard Gämlich und der Siegener Historiker Dieter Pfau erklären die Spuren. Gämlich in der Kirchstraße, Pfau später in der Kirche, wo er auch deutlich macht, was Sozialdemokraten und Juden seit Beginn der Weimarer Republik verbindet: der Kampf gegen den Antisemitismus, der sich im Siegerland schnell und intensiv verbreitet hatte. Torsten Thomas, engagiert in der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes, recherchiert die Schicksale der Menschen, die Opfer des NS-Terrors wurden – so stieß er auch auf König und auf Ernst Schweisfurth, seinen Kollegen beim Eichener Walzwerk, für den am Donnerstag gegen 9 Uhr in Ferndorf ein Stolperstein gesetzt wird.
Unter einem Vorwand verhaftet
Beide, König und Schweisfurth, waren Sozialdemokraten, Schweisfurth nach seiner Weltkriegserfahrung auch Pazifist. „Sie haben versucht, das Leiden der in Eichen eingesetzten Zwangsarbeiterinnen zu lindern“, lässt Landtagsabgeordneter Falk Heinrichs in seinem Grußwort ausrichten. Verhaftet werden sie, weil sie angeblich sexuelle Beziehungen zu den Frauen aufgenommen hätten. Ein vorgeschobener Grund, wie später Otto Schwarz bezeugt, Lohnbuchhalter beim Walzwerk und Reichsbanner-Vorsitzender in Hilchenbach, 1945 kurzzeitig Oberbürgermeister und Landrat in Siegen. Schweisfurth stirbt am 20. Mai 1943 im Sachsenhausen, nachdem er sich bei einem Sturz auf der Schuhprüfstrecke das Handgelenk gebrochen hat. „Dem haben sie einfach eine Spritze gegeben“, erfährt sein Mithäftling Hans Lichtenfels, ein Kommunist aus Kreuztal. König stirbt am 5. Februar 1945 in Neuengamme, an „akuter Darmentzündung“. Betty Roth, Vorsitzende des SPD-Ortsvereins hat Leni Königs 90-jährige Nichte gefragt. Ein hilfsbereiter, freundlicher Mann sei der Blechschlosser gewesen, der gerade einmal 40 Jahre alt wurde. „Es ist an uns, dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder passiert.“
Müsen, Kirchstraße: „Darüber hat hier niemand gesprochen.“ Lothar von Seltmann, der pensionierte Rektor der Hauptschule, kam nach dem Krieg zu einer Pflegefamilie nach Müsen, die mit Leni König befreundet war. Armin Setzer kennt sein Dorf schon ein wenig länger. „Es gab eine Menge Nazis in Müsen“, sagt er, und wundert sich immer noch, wie viele von ihnen nach dem Krieg die Freundschaft von Robert Königs Witwe suchten. Vielleicht sogar der Denunziant, der ihn ins KZ brachte? Vor dem Stolperstein erinnert sich eine Frau an das Haus mit der Nummer 9. „Der Garten war so schön.“ .
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Info
Eine Nichte, mehrere Großnichten und -neffen von Robert König leben in Dobel. Sie erfuhren über ihren stellvertretenden Bürgermeister Bernhard Kraft von den Hilchenbacher Bemühungen, mehr über ihren Verwandten herauszufinden.
Hilchenbachs Stadtarchivar Reinhard Gämlich konnte am Mittwoch in Müsen den Gruß der Gemeinde Dobel übermitteln, den Ort, in dem Robert König geboren wurde.
Neunkirchen: Erinnerung an Christine und Emil Denker
Am 6. Mai 1934 wurde Emil Denker, Vorsitzender der SPD-Ortsgruppe Freier Grund-Wilden, vom SA-Rollkommando Odenthal überfallen, gefoltert und ins Spritzenhaus eingesperrt. Am 23. November 1934 stirbt er an den Folgen der Misshandlungen. Seine Ehefrau Christine erleidet eine Fehlgeburt, als sie die Todesnachricht erhält, und stirbt. An Christine und Emil Denker erinnern die Stolpersteine, die Gunter Demnig am Mittwochmittag vor dem Haus Kölner Straße 359 setzte.
Der SPD-Ortsverein hatte die Initiative zu der Verlegung der Stolpersteine ergriffen. Vorsitzender Hans-Dieter Moritz begrüßte neben Bürgermeister Bernhard Baumann eine große Zahl von Bürgern, die der Zeremonie beiwohnten und auch später zur Gesprächsrunde bei Kaffee und Kuchen in das Haus Henrichs mitkamen. „Emil Denker aus Salchendorf war ein überzeugter Sozialdemokrat und Gewerkschaftler. Als solcher kämpfte er für Gerechtigkeit und Demokratie“, sagte Moritz in seiner Ansprache.
Für Gunter Demnig war es der erste von drei Terminen im Siegerland, in dem das Gedenken jeweils politisch Verfolgten gilt. Stolpersteine gibt es inzwischen in 21 Ländern, allein in Deutschland fast 1200 — in Siegen-Wittgenstein sind es die Steine 287 bis 289, die er am Jahrestag der Pogromnacht und — in Kreuztal — dem Tag danach setzt, als die Synagoge in Siegen brennt.