Siegen. . Die Künstlerin verwandelt mit ihren Bildern Stromkästen in Kunst – und der öffentliche Raum wird zur Galerie.

Am späten Vormittag wirkt die Altstadt menschenleer. Fast. Denn in der Donzenbachstraße ist eine Künstlerin in Aktion. Sie bemalt einen Stromkasten genau mit dem Motiv, das sie vor sich hat, wenn sie die Straße hinunterblickt. Wie viele Stromkästen in Siegen es sind, die sie mit alten oder auch aktuellen Motiven künstlerisch gestaltet hat, weiß Tzveta Grebe nicht genau. Bei 60 hat sie aufgehört zu zählen.

Die bekanntesten ihrer Kunstwerke schmücken sicherlich den großen Stromkasten nahe der Siegbrücke: Auf allen vier Seiten alte und neue Stadtansichten und Portraits von Henner und Frieder, die die ältesten heimischen Industrieberufe verkörpern: Berg- und Hüttenmann.

Erster Preis beim Kunstwettbewerb

Eigentlich hat Tzveta Grebe mit der Siegerländer Heimatgeschichte wenig am Hut, denn sie ist in Bulgarien geboren und aufgewachsen: „Schon als Kind habe ich immer gemalt.“ Also besuchte sie eine der zwei Kunstklassen Bulgariens: „Ich wollte mehr über Kunst erfahren und mich weiterentwickeln.“ Inhalte der täglich fünf Kunststunden waren Textildesign, Skulpturen, Bildmalerei und Malen unter freiem Himmel bei einem mehrwöchigen Praktikum in einer fremden Stadt.

Doppelte Donzenbachstraße: An wenigen Stellen sind historische und moderne Ansicht auf dem Stromkasten nahezu identisch.
Doppelte Donzenbachstraße: An wenigen Stellen sind historische und moderne Ansicht auf dem Stromkasten nahezu identisch. © Wolfgang Leipold

Nach Deutschland kam Tzveta Grebe der Liebe wegen. Sie heiratete einen Siegerländer und fühlte sich hier schnell auch künstlerisch zu Hause, zumal sie auch Mitglied im Kunstverein Siegen und Kunstkreis Siegerland wurde. 2001 veranstaltete die IHK einen Kunstwettbewerb mit dem Thema „Gesichter“. Tzveta Grebe gewann vor 200 Teilnehmern den ersten Preis: „Einer der glücklichsten Tage meines Lebens.“

200-Quadratmeter-Werk

Als Glück bezeichnet sie es auch, von der Stromkästen-Aktion Martin Zielkes erfahren zu haben. „Ein Künstler im Atelier arbeitet einsam. Das Malen im Freien gefällt mir besser – das unterschiedliche Licht und die Gespräche mit Menschen, durch die ich Lob und Zustimmung erfahre und auf neue Ideen komme.“

Tzveta Grebe.
Tzveta Grebe. © Wolfgang Leipold

Auch für größere Bilder im Stadtgebiet zeichnet Tzveta Grebe verantwortlich. Ihr größtes Werk ist an der Wand des Ofenhauses Konrad am Busbereitstellungsplatz hinter dem Bahnhof zu sehen. Sicherlich 200 Quadratmeter groß, mit historischen Ansichten Siegens und des Umlands. Als Vorlage dienten alte Fotos: „Das hat mit Vorbereitungen insgesamt zwei Jahre gedauert. Teilweise stand ich mit den Füßen im Wasser der Alche.“ Für die Abbildung der Synagoge mit dem historischen Löhrtor (Grebe: „Mein Lieblingsbild“) benötigte sie ein Gerüst.

Wenn das kein Zufall ist: Während Tzveta Grebe sich wieder ihrer aktuellen Arbeit am Stromkasten zuwendet, kommt Siegens Stadtbaurat Michael Stojan mit einer Besuchergruppe die Donzenbachstraße hoch. Er bleibt kurz stehen und lächelt der Künstlerin zu. Er weiß: In wenigen Stunden wird Siegen noch ein Stück schöner sein. Auch Tzveta Grebe lächelt und sagt: „Ich freue mich auf jedes neue Projekt.“

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Hintergrund: Seltener besprüht

Siegens bemalte Stromkästen sind überregional bekannt. Unter anderem sind sie im Buch „111 Orte in Südwestfalen, die man gesehen haben muss“ des Autorinnen-Duos Christina Kuhn und Katrin Höller erwähnt.

Künstlerisch gestaltete Flächen haben nicht nur dekorativen Nutzen – sie erhöhen auch die Hemmschwelle für Schmierereien. Beispielsweise werden sie seltener illegal besprüht

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