Netphen. . Die Ruanda AG der Realschule Am Kreuzberg gewinnt den Schulwettbewerb „Gemeinsam für Afrika“ — vor 1200 Mitbewerbern aus ganz Deutschland.
- Realschüler sind die Besten unter 1200 Mitbewerbern
- Partnerschaft mit Straßenkindern in Kigali
- Video-, Tanz- und Fotoprojekt mehrfach preisgekrönt
Ein Trommelwirbel nach dem nächsten im Ratssaal. Von den 18 Zehntklässlern der Realschule Am Kreuzberg, die seit anderthalb Jahren im Ruanda-Projekt aktiv sind. Für eben diese 18 Zehntklässler, die für ihre Netphen-Kigali-Partnerschaft einen Preis nach dem anderen gewinnen — 25 von um die 60 Schüler, die die Realschule im letzten Jahr ihres Bestehens überhaupt noch hat.
„Ich freue mich, dass wir auf eine so wunderbare Weise unseren Abschluss begehen“, sagt Schulleiterin Silvia Glomski. „Fume, Fume“, ruft einer der 25, was so viel wie „Action“ bedeutet — und los geht der Tanz. Den und das Trommeln haben sie am Donnerstagnachmittag drei Stunden lag mit Henry „Izo“ Anyanga, dem in Hamburg lebenden Musiker aus Kenia, einstudiert. Der Workshop war ein Hauptpreis.
Worum es geht
Lehrerin Ursula Wussow hat die Geschichte schon oft erzählt: Wie sie die Fotografin Marie Köhler kennengelernt hat, wie sie mit ihr „Mach dir ein Bild verabredet“ hat: Jugendliche der Netphener Realschule und der Root Foundation in Kigali, einer Organisation für Straßenkinder in Ruandas Hauptstadt, machen ein gemeinsames Menschenrechts- und Kunstprojekt — und lernen sich kennen, auf Augenhöhe. Kein weißer Blick auf durch die Kulisse trabende Giraffen. Aber auch kein schwarzer Blick auf Armut, Aids und Hunger, „auf den kindlichen Afrikaner, der unsere Hilfe braucht, um sich noch entwickeln zu können“.
Der Verbund „Gemeinsam für Afrika“, zu dem sich 20 Hilfsorganisationen wie Care, Welthunger- und Kindernothilfe zusammengefunden habe, fördere diesen „differenzierten Blick auf Afrika“, sagt Sonja Wyrsch. „Ihr habt etwas Grandioses geleistet“, fügt Henning Neuhaus hinzu, bevor beide Projektkoordinatoren die Urkunde überreichen: für die Ruanda-AG als beste Schulklasse unter 1200 Mitbewerbern aus ganz Deutschland.
Gelungen sei „ein wichtiger Beitrag zur Völkerverständigung“, sagt Bürgermeister Paul Wagener, den Ursula Wussow flugs zum Schirmherrn ernannte: „Wenn Sie sich nicht für uns engagiert hätten, würde es das Projekt in dieser Form nicht mehr geben.“
Was sie gemacht haben
Ein Video zu dem Popsong „Let’s Talk About Love“. Je die Hälfte der Szenen aus Netphen und aus Kigali, in wohl ungezählten Skype-Telefonaten und Whats-App-Chats miteinander abgestimmt. In Kigali steigen die bunten Luftballons, im Nieselregen über dem Sterndill tanzen die Elfen.
Analoge Fotos, also die mit Film und Dunkelkammer, für eine Ausstellung, die in beiden Städten zu sehen war. Die Jugendlichen zeigen ihr Zuhause, ihren Sport, ihre Schutafeln, ihre Bikes. Und ihre Zähne, hier mit, dort ohne Spangen.
Eine Radiosendung, natürlich auf Englisch. „Da macht Schule Sinn“, kommentiert Ursula Wussow trocken. Die Jugendlichen erzählen über sich, ihre Schulen, und sie interviewen Marie Köhler, die erste Partnerin des Projekts. Der 30-Minuten-Podcast steht im Netz, abrufbar über die Homepage der Realschule.
Was sie gewonnen haben
Zuerst den 6. Platz beim Sparkassenwettbewerb „Gut für Schule“.
Dann den 4. Platz beim Schulwettbewerb des Bundespräsidenten „Alle für eine Welt — Eine Welt für alle“: Am Freitag gab es die Urkunden für „vorbildliche Aktivitäten im Lernbereich Globale Entwicklung“.
Und nun eben den 1. Preis von „Gemeinsam für Afrika.“ Die Wettbewerbe, sagt Ursula Wussow, halten das Projekt am Leben: „Weil wir einfach Geld benötigen.“
Was noch kommt
Ein Theaterstück, mit dem sich die Ruanda AG und zugleich die Realschule Ende März von der Bühne verabschieden werden.
„Hut ab — Respekt zeigen“: Beim Wettbewerb der NRW-Schulministerin sind die Netphener mit einem Kurzvideo vertreten.
Das Jugendfilmfestival in Marl, zu dem die Ruanda AG eingeladen wurde: Mit einem „kleinen Nebenprodukt“, sagt Ursula Wussow: Für „Let’s Talk About Love“ haben die Netphener auch Szenen zur Einsamkeit im Alter gedreht. Die passten aber nicht ins Video. Weil es so etwas in Ruanda nicht gibt.
„Benefiz“ für die Bühne mit Theater, Trommeln, Tanz
„Benefiz — jeder rettet einen Afrikaner.“ Das gallige Theaterstück von Ingrid Laus über Wohltätigkeit in seinen unschönen Erscheinungsformen wurde im Gebrüder-Busch-Theater in Dahlbruch aufgeführt. Die Jugendlichen der Ruanda AG haben es sich angesehen und studieren nun eine eigene Version ein. Ursula Wussow hat das Erwachsenenstück für Jugendliche umgeschrieben. Die Botschaft bleibt die gleiche: „Durch eine missverstandene Benefizveranstaltung kann man ganz schnell aus einem Subjekt ein Objekt machen“, sagt Ursula Wussow – nämlich dann, wenn der Wohltäter vor allem sich selbst darstellen will.
Da ist die Ruanda-Gruppe wieder bei ihrem „Auf-Augenhöhe“-Thema, mit dem alles begann. In der Projektwoche des Gymnasiums, unter dessen Dach die Realschule ihr letztes Jahr verbringt, gab es bereits eine Generalprobe mit einem 30-Minuten-Ausschnitt. Ende März wird es im Forum des Gymnasiums die letzte Premiere der Ruanda AG geben: mit Theater, natürlich nun auch mit Trommeln. Und mit Tanz. „Das wird eine total spannende Sache“, freut sich Ursula Wussow.