Wilnsdorf. Expedition in den Siegerländer Untergrund: Seit Jahrzehnten hat niemand mehr den „Tiefen Grundstollen Landeskrone“ betreten. Bis jetzt – der A45-Verbreiterung sei Dank.

  • 1852 wird im Siegerland erste Dampfmaschine unter Tage eingesetzt
  • Forscher dringen in 800 Meter tiefe prunkvolle Maschinenhalle vor
  • Expedition unter schwierigen Bedingungen – Grubenwasser

Die Verbreiterung der A 45 und der Neubau der Brücken machen es möglich: Bevor die Maschinen das Gelände übernehmen, kommen die Archäologen zum Zuge. Nicht immer ist es nur der Rastplatz, wo ein Stollenmundloch erkundet wird, bevor es unter neuen Parkplätzen begraben wird. In Wilnsdorf landet das Team um Dr. Manuel Zeiler, Archäologe beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe, einen Volltreffer: Die 15 Forscher von Landschaftsverband und Deutschem Bergbaumuseum Bochum dringen in die Maschinenhalle des Tiefen Grundstollens Landeskrone vor. Dort stand 1852 die erste unter Tage eingesetzte Dampfmaschine des Siegerlandes .

Ausgrabung unter Tage: Die Experten haben die Schachtanlage in einem 3D-Modell dokumentiert.
Ausgrabung unter Tage: Die Experten haben die Schachtanlage in einem 3D-Modell dokumentiert. © Deutsches Bergbau-Museum Bochum/Peter Thomas

„Wie eine Kathedrale“, schwärmt Dr. Zeiler über den prunkvoll ausgebauten Raum, „so wie man heute das Sony-Center in Berlin gebaut hat.“ Kesselhalle, Podest für die Dampfmaschine, Schachthalle. Denn von hier, mehr als 80 Meter tief unter der Erdoberfläche, führte ein Schacht weitere 90 Meter in die Tiefe. „Es ging um Repräsentation“, weiß der Archäologe — zeigen, was man hat, selbst wenn es kaum jemand sieht. An dieser Stelle hinkt dann aber auch der Vergleich, den Zeiler zur Gegenwart zieht.

Durch brusthohes Wasser

Durch brusthohes Wasser waten, mehr als 80 Meter tief unter der Erde, in völliger Finsternis, nicht wissen, was hinter der nächsten Abbiegung lauert. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich reichlich Morast und teilweise brusthohes Wasser angesammelt. Hinzu kam der Ballast der ebenso schweren wie sperrigen Ausrüstung. Für die 800 Meter braucht die Expedition eine Stunde. „Gefühlt sind das fünf bis sechs Stunden“, sagt Manuel Zeiler. Der „Tiefe Grundstollen Landeskrone“ war fest mit Beton verplombt.

Eng, morastig, brusthohes Wasser, dazu schweres, sperriges Gepäck. Keine ganz einfache Expedition für die Forscher.
Eng, morastig, brusthohes Wasser, dazu schweres, sperriges Gepäck. Keine ganz einfache Expedition für die Forscher. © Deutsches Bergbau-Museum Bochum/Peter Thomas

Das Forscherteam nahm unter Tage Ausgrabungen vor und fotografierte die Entdeckungen. Im Mittelpunkt der Arbeiten stand vor allem eine dreidimensionale Dokumentation. Hierbei wurde erstmals für Südwestfalen das so genannte Structure-From-Motion-Verfahren unter Tage eingesetzt, bei dem unzählige Fotos zu einem 3D-Modell verrechnet werden.

„Kaum eine Epoche hat die Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt so verändert wie die Industrialisierung“, sagt Manuel Zeiler, „Zeitzeugen wie diese aus den Anfängen der Industrialisierung gibt es nicht viele.“ Erstmals konnte damals Wasser mit Dampfmaschinen aus großen Tiefen gepumpt werden – was eines der größten Probleme der Bergleute löste, denen das Grubenwasser ein Vordringen in große Tiefen unmöglich machte. „Der rasche technologische Fortschritt führte aber auch dazu, dass Bau- oder Bodendenkmäler aus der Anfangszeit dieser Epoche heute kaum noch erhalten sind“, erklärt Zeiler. „Deshalb“, sagt der Expeditionsleiter, „ist die montanarchäologische Dokumentation solcher Orte besonders wichtig.“

Rekonstruktion wird geplant

Da noch keine Eisenbahnverbindung in das Ruhrgebiet existierte und damit keine Steinkohle als Brennstoff zur Verfügung stand, wurde die Dampfmaschine installiert, die mit Braunkohle aus dem benachbarten Westerwald gefeuert werden konnte. „Die ist natürlich weg“, sagt Manuel Zeiler. Immerhin: Eine Menge Kleinteile, Nieten zum Beispiel, haben die Forscher sichergestellt. Auch eine detaillierte Beschreibung der Maschine gibt. „Nur leider keine Zeichnung.“ In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Museum in München wollen die Archäologen und Bergbauhistoriker eine Rekonstruktion versuchen, in die die Originalteile eingebaut werden.

Nein, fertig ist Manuel Zeiler mit dem Landeskroner Stollen noch lange nicht. „Wir werden noch ein bisschen weiter machen“, sagt er, „und auch noch ein drittes Mal reingehen.“ So oft wird die Sauerlandlinie schließlich nicht neu gebaut.

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Hintergrund: Am Mittwoch, 21. September, werden die Wissenschaftler ab 19 Uhr zusammen mit der Gemeinde Wilnsdorf einige ihrer Ergebnisse der Öffentlichkeit im Museum Wilnsdorf präsentieren.

Das 3D-Modell des Wilnsdorfer Bergwerks gibt es hier.

Ein Video mit beeindruckenden Aufnahmen haben die Forscher hier ins Netz gestellt.

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