Siegen. . Der Siegener Fotograf Thomas Kellner wollte wissen: „Wie heißt das eigentlich, was ich da tue?“ Eine russische Expertin liefert eine Antwort.

  • Neue Ausstellung „Tango Metropolis“ im Siegerlandmuseum
  • Russische Expertin Prof. Irina Chmyreva analysiert seine Methodik
  • Synthese: Altbekanntes zerlegt – neu zusammengesetzt – bleibt erkennbar

Er ist Fotokünstler, kein Architekt. Aber trotzdem ein Baumeister: In seinen Arbeiten zerlegt Thomas Kellner Bauwerke in Einzelausschnitte und setzt sie wieder zusammen – verzerrt, verschoben, verschränkt, doch immer klar identifizierbar. Zu seiner nächsten Ausstellung im Siegerlandmuseum, „Tango Metropolis“, legt er einen gleichnamigen Katalog vor, der zehn seiner Bilder zeigt. „Aber der Schwerpunkt“, sagt der Wahlsiegener, „liegt hier für mich auch auf dem Text.“

Die Expertin

Prof. Dr. Irina Chmyreva hat ihn verfasst, leitende Wissenschaftlerin des Staatlichen Instituts für Theorie und Geschichte der Kunst an der Russischen Kunstakademie in Moskau. „Wie heißt das, was ich da tue?“, wirft Kellner bei der Katalogvorstellung in den Raum, um die Antwort... – eben nicht selbst zu geben. Chmyreva kennt er seit einigen Jahren; und weil seiner spezifischen Arbeitsweise und Bildsprache von journalistischer Seite bisher kein wirklich treffender Begriff angeheftet worden sei, wandte er sich an die Expertin. Deren Ausführungen sind im Katalog in drei Sprachen abgedruckt: auf Deutsch, auf Englisch und im russischen Original.

Der Begriff

Chmyreva spricht von einer „visuell-analytischen Synthese“, um sich Kellners Methodik zu nähern. Darin liegen, wie sie ausführt, „mehr Verbindungen zu Physik, Mathematik und Philosophie... als zur Geschichte der Kunst der Moderne“. Das klingt sehr theoretisch, aber im Katalog mit seinen Abbildungen lässt sich die Argumentation plastisch nachvollziehen.

Die Motive

„Tango Metropolis“ ist eine Serie mit etwa 30 Bildern, sagt Kellner. Neun davon werden ab 25. September im Siegerlandmuseum zu sehen sein, zehn sind im Katalog abgedruckt. Er hat weltberühmte Bauwerke wie das Brandenburger Tor, Schloss Neuschwanstein oder die Golden Gate Bridge in seiner speziellen Weise aufgenommen: Über das Fotografieren von Ausschnitten, von Chmyreva „Bild-Atome“ genannt, fügt er das Gesamtmotiv in Form von Kontaktbögen wieder zusammen.

Die Wirkung

Der Betrachter erkennt das prominente Motiv sofort. Kellner knüpft an das Bekannte an, vermag aber durch einen Prozess der Dekonstruktion und Rekonstruktion eine Darstellung zu schaffen, die gleichzeitig etwas Neues zeigt – und überrascht. Das Ergebnis ist in sich so schlüssig und stimmig, dass der von Chmyreva herausgestrichene analytische Aspekt als Fundament außer Frage steht: „Genaue Kenntnis der Grundelemente“, konstatiert Chmyreva, und „minutiöse Untersuchung der Details sowie beobachtendes Erfassen der so in Einzelteile gesplitteten Form“.

Die Akribie

Kellners Synthese – die Neu-Zusammenführung – stützt sich nicht auf Zufall oder Willkür. „Die augenscheinliche Einfachheit des künstlerischen Verfahrens ist Ergebnis langer Überlegungen und akademischer Studien zu unterschiedlichen architektonischen Ordnungen“, betont die Expertin.

Die Präsentation

Katalog und Ausstellung gehören zueinander, funktionieren aber auch jeweils autonom. Während die Ausstellung naturgemäß vorübergehend ist, bleibt der Katalog „lange erhalten“, betont Kellner: „Es ist für mich die beste Art für einen Künstler, um seine Arbeit zu vervielfältigen.“ Das Dauerhafte und die größere Streuung vergrößern den Wirkungsradius. „Tango Metropolis“ ist in einer Auflage von 2500 Exemplaren erschienen. Kellner als international aufgestellter und gefragte Künstler verschickt sie weltweit, „in der Hoffnung, dass der Katalog mehr Menschen erreicht als das einzelne Werk“.

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Hintergrund: Rückkehr ins Siegerlandmuseum

Der Katalog „Tango Metropolis“ erscheint in der Publikationsreihe der Arbeitsgemeinschaft Siegerländer Künstlerinnen und Künstler (ASK).

Es ist der 21. Katalog in diesem Rahmen. Der erste erschien im Jahr 2008. Ziel, erklärt Thomas Kellner, ist es, dass jedes ASK-Mitglied einen Katalog bekommt.

Mit „Tango Metropolis“ kehren die regelmäßigen ASK-Ausstellungen ins Siegerlandmuseum zurück. Während der Sanierungsarbeiten am Grafentrakt war die Reihe für rund drei Jahre ins Foyer des RWE-Gebäudes an der Friedrichstraße ausgewichen. Dorthin gibt es eine enge Verbindung: Dr. Catharina Friedrich von Westnetz ist Vorsitzende der ASK.

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