Siegen. . Mohamed El-Chartouni wurde im Libanon geboren und lernte viel zu früh den Krieg kennen. Heute steht er mit Musikern aus zehn Ländern auf der Bühne.

  • Mohamed El-Chartouni flieht als Kind aus Beirut
  • Heute fester Bestandteil der Siegener Kulturszene
  • Sozialpädagoge im Hauptberuf

Sommerferien. Aber die Bluebox an der Sandstraße ist voller Leben: Musikprojekte, Tischfußball, Filmworkshops. Und mittendrin Mohamed El-Chartouni, von Beruf Sozialpädagoge, alias „B.E. der Micathlet“.

Doch der Weg bis dahin war lang und schwer. Mo, wie ihn seine Freunde nennen, wurde 1985 in Beirut geboren. Seine Erinnerungen an die alte Heimat reichen in eine Zeit zurück, als er zweieinhalb Jahre alt ist. Die Familie El-Chartouni kann sich das Leben in einer guten Wohngegend leisten, denn sein Vater hat einen guten Job. Bildung ist ihm sehr wichtig, auch für Mohamed, seinen ältesten Sohn. Der kommt früh in den Kindergarten und kann mit drei Jahren schon 50 englische Wörter. El-Chartouni lernt viel zu früh, was Krieg bedeutet: „Mein Vater war nicht zu Hause. Ich saß gerade in der Wanne, als die Wände wackelten und Bilder schaukelten. Ich sah sofort, dass meine Mutter Angst hatte.“ Der Vater weiß: „Hier ist es zu unsicher. Wir wollen weg.“ Deutschland ist das Ziel. Denn dort wohnt eine Tante.

Noch mehr Verantwortung für den Ältesten

Nach einer Odyssee von fast einem Jahr durch viele Länder landet die Familie El-Chartouni, Mohamed, sein Bruder und die Eltern, in Kreuztal. Zwar haben sie zunächst deutlich schlechtere Wohnverhältnisse als im Libanon, keine Dusche und Heizung, aber sie sind sicher: „Hier konnten wir Kinder sein.“

Ein weiterer Bruder und eine Schwester werden geboren. Nach Kita und Grundschule macht El-Chartouni 2001 den Realschul-Abschluss. Aber es läuft nicht alles glatt. Seine Eltern trennen sich, sein Vater stirbt. Fortan muss er als Ältester noch mehr Verantwortung tragen.

Da er keinen konkreten beruflichen Plan hat, meldet er sich am Berufskolleg für Wirtschaft und Verwaltung an. Aus den zwei Jahren werden schließlich vier: „Das war nicht mein Ding. Ich bin meinem Klassenlehrer aber dankbar, dass er mir in den Hintern getreten hat, doch noch den Abschluss zu machen.“

Licht am Ende des Tunnels

Schon als Realschüler hat El-Chartouni seine Liebe zur Rap-Musik entdeckt. Bis heute sein Vorbild: Eminem. „Meine ersten eigenen Versuche hatten nichts mit Kunst zu tun, waren eher peinlich.“ Doch er nutzt die Zeit, in der er mal hier, mal da jobbt, um viel und hart zu üben und einen eigenen Stil zu entwickeln, immer das klare Ziel vor Augen: „Ich will der beste Rapper Siegens werden.“ Er gründet mit seinen Freunden 2004 die Band „Rapresidentz“: Zehn Musiker aus acht Ländern. Drei Jahre lang haben sie deutschlandweite Auftritte, meist ausverkauft: „Unsere CDs gab’s im Saturn zu kaufen. Wir haben uns als Stars gefühlt.“

Auch beruflich sieht El-Chartouni Licht am Ende des Tunnels. Durch ein Praktikum mit Jugendlichen in der Bluebox und im Stadtjugendring merkt er: „Das kann ich gut, das will ich machen.“ Mit viel Glück und über ein Losverfahren erhält er einen Studienplatz an der Uni Siegen. Nach der Regelstudienzeit von drei Jahren schafft er das Examen und bekommt als Sozialpädagoge eine unbefristete Anstellung in der Bluebox. Seine Arbeitszeit von wöchentlich 23 Stunden ist für Mohamed El-Chartouni wie maßgeschneidert. So hat er die nötige Zeit für Konzerte, Projekte, Rap-Workshops.

Verbindung von Konzert und Theater

Und „Großes Theater“ im Apollo. Nach ersten Erfahrungen als Walpurgisnacht-Rapper im „Faust“ performed er bei den Martin-Luther- King-Konzerten mit dem ihm eigenen Stil seine dramatische Lebensgeschichte und kann im vergangenen Jahr endlich eine eigene Idee umsetzen: die Verbindung von Konzert und Theater. „Fahr deinen Film“ heißt das Programm. Es ist die Geschichte einer Band, ihrer Mitglieder und deren Charaktere, die seit der Premiere im Oktober 2015 auch die jungen Besucher der folgenden Schüler-Vorstellungen begeistert. El-Chartouni weiß: „Wenn Menschen auf der Bühne authentisch sind, dann haben sie auch beim Publikum Erfolg.“ Und den haben Mohamed El-Chartouni und sein Team mehr als verdient.