Bürbach. . Kaum Internet, Mahnungen, dass das Wasser abgestellt wird, veruntreute Gebühren: Viele Bewohner eines Siegener Studentenwohnheims geben auf. Der neue Eigentümer verspricht schnelle Besserung.

Seit einem Eigentümerwechsel im Januar sind die Verhältnisse im Bürbacher Studentenwohnheim, in dem vorwiegend ausländische Studenten leben, prekär: Strom, Heizung, Wasser, Internet fallen immer wieder aus, den Mietern wird das Ende der Versorgung angedroht. Sie zahlen zwar eine All-inclusive Miete, die aber versickert auf dem Weg zum Versorger.

Inzwischen werfen Mieter reihenweise entnervt das Handtuch, von 340 Plätzen sind noch rund ein Viertel belegt. Der neue Eigentümer, die Deutsche Real Estate Funds (DREF) mit Sitz in Luxemburg, teilt mit, dass das Gebäude umfassend für 1,5 Millionen Euro saniert werden soll, man habe außerdem Strafanzeige wegen Verdachts auf Veruntreuung erstattet.

Die Bewohner

Sarah A.* hat Angst. Allein traut sie sich abends kaum noch durch das düstere, verwinkelte und menschenleere Gebäude – erst recht, seit am 30. Juli ein Student aus Essen im Wohnheim überfallen wurde.

Vor allem die Bewohnerinnen fühlen sich sehr unsicher in dem düsteren, weitläufigen Gebäude.
Vor allem die Bewohnerinnen fühlen sich sehr unsicher in dem düsteren, weitläufigen Gebäude. © WP

„Es ist niemand hier, niemand hört dich schreien“, sagt die Doktorandin aus dem Irak. Von der Hausverwaltung habe man zu den nicht beglichenen Rechnungen das Argument zu hören bekommen, dass die Versorgung nicht gezahlt werden könne, weil man die Kautionsforderungen bedienen müsse – die aber auch nicht eintrafen, erzählt ein anderer Hausbewohner. Die Eigentümer- und Verwalterverhältnisse waren unklar, viele Studenten aus dem Ausland scheuten eine Klage, wollten keinen Ärger bekommen. „Treiben Sie mal aus Peking 400 Euro ein“, sagt der Mann.

Und die Zustände sind erbärmlich: Ungeziefer in den Gemeinschaftsküchen, ausgelegt für bis zu 17 Personen, enge Plastikbadezimmer, Schimmel. „Viele stellen im Winter Heizlüfter auf, weil die Heizung nicht funktioniert“, erzählt der Student. Für den günstigen Preis könne man kein Sternehotel erwarten – aber wenn man nun fürchten müsse, dass das Wasser abgestellt wird, sei die Grenze erreicht.

Der AStA

„Die Hausverwaltung hat uns entweder am Telefon vertröstet, oder es war besetzt“, sagt Julian Hopmann vom Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA), „ein Dauerzustand.“ Die Hausverwaltung Pontarius aus Wächtersbach, seit März für die DREF tätig, habe die Zustände schließlich bestätigt, aber den AStA gebeten, dies nicht an die Bewohner weiterzugeben. „Dubios“, findet das Hopmann, die Bewohner wüssten doch ohnehin um die Zustände.

Die Universität

„Wir sind besorgt über die Zustände und die Lage der Studierenden in diesem Wohnheim“, sagt Uni-Pressesprecher André Zeppenfeld. Seit sich die Zustände nochmals verschlechtert haben, registriere man einen deutlichen Anstieg bei der Nachfrage nach Wohnheimplätzen.

Die Stadt

Auf Bitten des AStA hin suchte die Stadt das Gespräch mit SVB, Pontarius und DREF und konnte den angedrohten Versorgungsstopp verhindern. „Nach Bekanntwerden der ausstehenden Zahlungen hat der Eigentümer nach unserer Kenntnis das Geld umgehend angewiesen“, so Dirk Helmes, Universitätsbeauftragter der Stadt. Ende Juli drohte erneut ein Versorgungsstopp, wiederum schaltete sich die Stadt erfolgreich ein.

Der Eigentümer

Die Vermutung, dass radikal entmietet werde, um das sanierte Gebäude teurer anbieten zu können, weist DREF-Sprecher Holger Braun zurück: „Das Studentenwohnheim bleibt ein Studentenwohnheim.“ Sanierungsbedürftige Zimmer würden derzeit nicht neu vermietet, um ab Ende 2016 im laufenden Betrieb umfassend renovieren zu können.

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Zwar sollen die Mieten leicht angehoben werden, auf Beträge zwischen 190 und 229 Euro alles inklusive – aber unterhalb des derzeitigen Marktniveaus.

Wie aber konnte es zu den Unregelmäßigkeiten kommen? „Alle Rechnungen sind inzwischen bezahlt“, sagt Braun, man bedaure die Vorfälle. Versehentlich hätten Studenten Mieten noch an den alten Besitzer, die alte Verwaltung entrichtet, wo sie vermutlich unterschlagen oder veruntreut wurden – deshalb die Strafanzeigen. „Auf die Situation waren wir nicht vorbereitet“, so Braun, man habe Personal eingestellt, um die Lage zu bessern.

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Hintergrund: Studentenwerk fürchtet Unterversorgung

Vor 20 Jahren war dem Studentenwerk Siegen die Immobilie bereits angeboten worden, es lehnte ab: „Eine Sanierung unserem Standard gemäß wäre zu teuer gewesen“, sagt Geschäftsführer Detlef Rujanski.

Rujanski warnt vor einer Unterversorgung, die übliche Regelung des Studentenwerks – ein Drittel ausländische, zwei Drittel deutsche Studenten – sei für einige Wohnheime bereits gelockert worden; die Warteliste sei allerdings bereits jetzt völlig überfüllt.

„Wenn die Uni Siegen internationale Studierende willkommen heißt und das schlägt sich in diesem Wohnangebot nieder, schädigt das unser Image als Universitätsstadt“, sagt Rujanski.